ARD: Seehofer trifft Pauli:Leben auf der Rasierklinge

Seelenstriptease im ARD-Talk "Beckmann": Die CSU-Einzelgänger Horst Seehofer und Gabriele Pauli führten ein Gespräch, das gut zu einer funktionierenden WG gepasst hätte.

Hans-Jürgen Jakobs

In jeder guten WG sitzen die Mitbewohner irgendwann abends am Tisch und reden mal so richtig offen über sich selbst. Bei "Beckmann" in der ARD, der vielleicht verschwatzesten aller Plauderrunden, saßen am Montag mit Gabriele Pauli und Horst Seehofer zwei Politiker, die sich mal ganz vor Millionenpublikum der WG-Tischrolle hingaben.

Beide eint viel mehr als sie trennt: Ihre Sonderrolle in der CSU als moderne Menschen in einer nicht ganz so modernen Partei, ihr aktueller Status als Verlierer des letzten Parteitags, die Ablehnung der üblichen Netzwerke, der hohe Anteil des Privaten in ihrem öffentlichen Leben, ihre sich selbst nicht eingestandene Einzelgängerei sowie eine Neigung zur Seelenschau. Moderator Reinhold Beckmann musste den Blasebalg nur selten in die Glut richten, um sie am Glühen zu halten.

Die beiden Gäste boten genug. Seehofer zum Beispiel lobte seine Parteifreundin für Zivilcourage, ihre Offenheit und den Wunsch nach Transparenz, anderseits habe sie entscheidende Fehler gemacht. Und da sei diese "Selbstgerechtigkeit". Ungehalten ist der wegen seiner Affäre in die Schlagzeilen gerutschte Seehofer, weil die Fürther Landrätin ihm "Doppelmoral" vorgeworfen hat - er hatte im CSU-Programm Ehe und Familie hochleben lassen.

Kreuzzug für Aufrichtigkeit

Gabriele Pauli wiederum hielt dagegen. Die Frau, die in der ARD als "CSU-Rebellin" angekündigt war, setzte ihren monatelangen Kreuzzug für Aufrichtigkeit - oder das, was sie dafür hält - in Beckmanns WG-Atmosphäre fort und postulierte, man solle nur das leben, was man ist. In ihrem Maßstab ist das Postengeschacher in Parteien und das lineare Karrieredenken lächerlich, sie will Glück und Selbsterfüllung unter die Deutschen bringen, und hält es für eine Bestätigung, wenn Kameras dabei auf sie gerichtet sind. "Einiges war quer im Programm", erinnerte sie sich an ihre Rolle beim CSU-Parteitag. Sie auf eine "Königsmörderin" zu reduzieren, sei unzulässig.

Mit Beckmanns Einwand, nach der Rauswahl aus dem CSU-Vorstand sei es mit ihren politischen Möglichkeiten vorbei, mochte sie sich ebenso wenig beschäftigen ("Ich denke ganz anders als Sie") wie mit der Frage, ob jetzt bald ihre Memoiren kämen. Im Laufe des Selbstfindungsgesprächs wurde die 50-Jährige immer mädchenhafter. Es geht ihr um das Authentische, um das "Feeling", und mit dieser Haltung lassen sich auch sattsam bekannte Fragen nach den mittlerweile berühmten Latex-Handschuhen beantworten: "Das hat mir Spaß gemacht."

"Papa eiskalt"

Seehofer sah ihre große Bedeutung bei den jüngsten CSU-Geschehnissen: "Ohne Gabriele Pauli wäre die Geschichte anders gelaufen." Das dürfte inzwischen auch Edmund Stoiber begriffen haben. Der Bundeslandwirtschaftsminister behielt die Ruhe, selbst wenn Gastgeber Beckmann sich nicht entblödete, immer wieder einmal nach der beendeten Liebesbeziehung zu fragen und nach der Wirkung von Schlagzeilen wie "Papa eiskalt".

Es müsse mit solchen Nachfragen endlich Schluss sein, hat der CSU-Politiker schon häufig erklärt, doch wer zu einem Fernsehtalk geht, kommt nicht ohne Seelenstriptease wieder heraus. Das sei "mit das Widerwärtigste" gewesen, erzählt der Mann aus Ingolstadt zur Sache "Papa eiskalt". Scharen von Reportern und Kameraleuten hätten ihn verfolgt, um herauszubekommen, ob er seine politischen Pflichten vernachlässige. Schließlich habe dann eine Zeitung halt gefunden, dass er seine privaten Pflichten vernachlässige.

Also sprach Seehofer angesichts des sich vor ihm windenden Fragers doch ein wenig über "Frau Fröhlich", der Mutter seines jüngsten Kindes, als handele es sich um eine Sekretärin seiner Partei. Die Natur habe ihn mit einer "starken Konstitution" ausgestattet, das war seine Botschaft des Abends zu all dem Krisengerede. Und er lächelte gut gelaunt dazu. Nein, die Affäre habe ihm in der CSU nicht geschadet, er sei halt an den Bündnissen rund um seine Rivalen Günther Beckstein und Erwin Huber gescheitert, analysierte Seehofer. Und doch sprach er vom besonderen "Kick", als just in den Tagen seiner Bewerbung als Parteichef seine Liebschaft öffentlich gemacht wurde.

So lasse ich mich nicht unterkriegen, heißt das - und das hat er mit Gabriele Pauli, der selbst ernannten Jeanne d'Arc der christsozialen Welt, gemeinsam.

Gegen Schluss des Psychogesprächs vom WG-Tisch setzten sich noch Maybrit Illner und Sabine Kuegler dazu, ohne dem Geplauder weitere Höhepunkte zu verpassen. Sie wollten ihre Bücher promoten. Zur Frage nach Homestories, die Politiker vielleicht unterlassen sollten, sagte Seehofer noch: "Sie sind da ständig auf der Rasierklinge".

Und auch dazu lachte er in seiner freundlichen Bierruhe, die an diesem Abend partout nichts stören konnte - schon gar nicht die falsche kumpelhafte Art, mit der sein Moderator tiefere Geheimnisse bergen will.

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