ARD: Es liegt mir auf der Zunge:Hawaii für Hausfrauen

Jan Josef Liefers spielt mit Clemens Wilmenrod den ersten deutschen Fernsehkoch, der im übrigen nicht kochen konnte - und Alfred Biolek erklärt uns, warum.

Alfred Biolek

Alfred Biolek, 75, war zwölf Jahre lang der bekannteste deutsche TV-Koch. Alfredissimo! hieß seine vom WDR produzierte Sendung, in der der studierte Jurist und anfängliche Rundfunkjustiziar bis 2007 jede Woche mit einem bekannten Gast kochte, aß, trank und plauderte. "Mutter aller Glotzenbrutzler" nannte ihn die taz zum Abschied liebevoll. Alfredissimo-Wiederholungen seiner Sendung laufen zurzeit im WDR, samstags, 17.50 Uhr.

ARD: Es liegt mir auf der Zunge: Wilmenrod (Jan Josef Liefers) zog die Frauen mit Charme und hanebüchenen Geschichten in seinen Bann.

Wilmenrod (Jan Josef Liefers) zog die Frauen mit Charme und hanebüchenen Geschichten in seinen Bann.

(Foto: Foto: ddp)

Das Paradoxe an Clemens Wilmenrod ist, dass ein Mann, der gar nicht kochen konnte, die erste Kochshow für das deutsche Nachkriegsfernsehen erfunden hat. Als Schauspieler hatte er wenig Erfolg, als TV-Koch war er genial. Mir gefällt Jan Josef Liefers als Willmenrod ausgesprochen gut. Allerdings weiß ich nicht, ob er ihn so spielt, wie er wirklich gewesen ist. Willmenrods Show habe ich nie gesehen, meine Eltern hatten in den Fünfzigern keinen Fernseher, aber ich hatte von ihm gehört.

Der Regisseur von "Alfredissimo!" hatte mir immer mal wieder von ihm vorgeschwärmt. Vermutlich, weil es eine Parallele zwischen uns gibt: Auch ich bin kein Profi-Koch und habe mit meinen Amateurkenntnissen jahrelang erfolgreich eine Kochshow bestritten. Ich habe aber nicht gespielt, bei mir war alles echt. Der Gast, das Gespräch und meine Kochkenntnisse auch. Jedes noch so kleinste "Mmmh" war ernst gemeint. Wilmenrod war ein Münchhausen, der großen Spaß daran hatte, sich absurde Namen wie "Das päpstliche Huhn" oder "Arabisches Reiterfleisch" für seine Gerichte auszudenken.

Der Reiz von Es liegt mir auf der Zunge, dem ARD-Film über Wilmenrods Leben, besteht darin, dass er uns einen Einblick in ein Stück Zeit- und Fernsehgeschichte gewährt. Er erzählt uns von der Pionierstimmung, die Deutschland nach dem Krieg erfasste. Der Sender NWDR war damals an Wilmenrods TV-Konzept interessiert, weil sich seine Sendung gezielt an Frauen richtete. Wilmenrod verhandelte direkt mit dem Intendanten, das muss man sich mal vorstellen! Es gab nur zwei Kameras, die Show war schwarzweiß, und es wurde komplett live gesendet. Von seiner Schwester Gertrud (im Film dargestellt von Victoria Trauttmansdorff) lässt er sich das Gemüseschnippeln beibringen, seine Frau Erika (Anna Loos) steht während der Sendung mit am Set und gibt ihm Tipps: "Mehr Salz, Clemens, den Pfeffer nicht vergessen und dann umrühren!"

So etwas wäre heute natürlich nicht mehr möglich, jede Kochshow ist minutiös durchkonzipiert. Seine Frau Erika hat damals das erfunden, was wir heute ProductPlacement nennen. Sie machte die Verträge, er brachte den Rumtopf, die Pute oder den "Heinzelmann"-Grill in seiner Show unter. Dass Anna Loos auch im echten Leben die Frau von Jan Josef Liefers ist, war mir nicht bewusst und konnte mich daher auch nicht irritieren.

Wilmenrod zog die Frauen mit seinem Charme und den hanebüchenen Geschichten in seinen Bann, obwohl jede Hausfrau wahrscheinlich besser kochen konnte als er. Dafür war er experimentierfreudig, kochte mit Mayonnaise, Ketchup und Dosengemüse. Sein "Toast Hawaii", den er mit Kochschinken und Dosen-Ananas belegte, wurde über Nacht zum Nationalgericht.

Lesen Sie auf Seite 2, warum das Fernsehen von damals nichts mit dem Fernsehen von heute gemein hat.

Mit dem Erfolg kommen die Neider

Als ich Ende der Fünfziger in Freiburg Studentenkabarett gemacht habe, sind wir nach der Probe in ein Restaurant und haben dort als Nachtisch zum ersten Mal Mandarinen aus der Dose serviert bekommen. Das war eine Sensation! Wenn Wilmenrod am Abend vorher Kabeljau in die Pfanne schmiss, war er am nächsten Tag ausverkauft. Damals kochten die Leute die Gerichte tatsächlich nach. Heute schauen sie zur Entspannung Kochshows und schmeißen sich später eine Tiefkühlpizza in den Ofen.

Für seine Zeit war Wilmenrod richtig, er war unverwechselbar. Sein Menjoubärtchen, dazu die Kochschürze mit seinem gezeichneten Konterfei. Die musste sein, weil er in der ersten Sendung schon festgestellt hatte, dass die Kamera nicht immer auf ihn, sondern auch auf seine Hände und Pfanne geht. Eitel ist dafür gar kein Ausdruck! Dazu noch diese geschraubte Sprechweise, seine Zuschauer sprach er mit "Ihr lieben, goldigen Menschen" an. Heute würde das nicht mehr funktionieren, die Zuschauer fänden es albern. Das Fernsehen von heute hat nichts mehr mit dem Fernsehen von damals gemein. Heute sind unsere TV-Köche nicht mehr exzentrisch und deshalb austauschbar. Aber wahrscheinlich ist das auch genau das Richtige für unsere austauschbare und beliebige Zeit.

Mit dem Erfolg kommen die Neider. Anfang der Sechziger bekam Wilmenrod große Probleme, wegen seiner nonchalanten Art der Schleichwerbung und wegen Plagiatsvorwürfen. Mich mochten die Profis auch nie, weil ich als Amateur großen Erfolg hatte. Aber das Handwerkszeug ist eben nicht entscheidend, sondern viel mehr die Unterhaltsamkeit. Ich habe mich zwar auch beraten lassen, aber nie von professionellen Köchen. Die hätten mich nur in eine Richtung beraten, in die ich nicht gehen wollte.

Und mir fällt noch eine Gemeinsamkeit ein: Wilmenrod hat in seiner Sendung immer getrunken. Bei mir gab es auch Wein, allerdings habe ich ihn nicht so in mich hineingeschüttet wie er.

An seinem Untergang ist Wilmenrod selber schuld. Er hat es übertrieben, sich selbst überschätzt. Diese Wahnsinnshäuser, die vielen Autos, die Frauengeschichten. Je erfolgreicher er wurde, desto mehr hat er sich kaputt gemacht. Aber auch das war typisch für die Zeit des Wirtschaftswunders, der Konsum stieg ihm zu Kopf.

Sein tragisches Ende hätte nicht sein müssen, aber er wusste wohl nicht, wann es an der Zeit ist, aufzuhören. Oder er konnte es nicht. Ich habe alle meine Sendungen auf ihrem Höhepunkt beendet. Es gibt nämlich zwei Möglichkeiten. Entweder die Leute sprechen einen auf der Straße an und fragen: "Machen Sie eigentlich immer noch diese Kochshow?" Oder sie sagen: "Schade, dass Sie nicht mehr diese nette Kochsendung machen." Mir war letzteres lieber.

Es liegt mir auf der Zunge, ARD, 20.15 Uhr.

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