Architekturpreis:So entsteht Ensembletauglichkeit

Die Vergabe des Pritzkerpreises für Architektur an das katalanische Büro "RCR" ist nicht nur mutig, sie kommt einer Sensation gleich.

Von Gerhard Matzig

1979 ging es los. Damals wurde zum ersten Mal der von dem Amerikaner Jay A. Pritzker (Hyatt-Hotelkette) gestiftete "Nobelpreis" der Baukunst verliehen. Und zwar an keinen Geringeren als Philip Johnson, der schon damals ein Star war. Danach wurde der mit umgerechnet 95 000 Euro dotierte wichtigste Architekturpreis der Welt in schöner Reihenfolge an die meist männlichen Big Macs am Bau vergeben.

An Richard Meier etwa oder Frank Gehry, an Aldo Rossi, Tadao Ando, Renzo Piano, Norman Foster und - staunenswert: an eine Frau - Zaha Hadid. Aber auch sie war schon längst eine internationale Größe, als sie im Jahr 2004 mit dem Pritzkerpreis geehrt wurde. Immerhin hatte man drei Jahre zuvor endlich auch eine Bürogemeinschaft (und nicht nur eine umso glamouröser ihre Einzigartigkeit ausstrahlende Einzelperson) mit dem Preis bedacht: Jacques Herzog und Pierre de Meuron. Die aber, keine Frage, auch schon längst das waren, was man in der Baubranche als "Stararchitekten" bezeichnet.

In der Begründung der Jury steht, die Katalanen haben "dem Ruf der Metropole widerstanden, um eng mit ihren Wurzeln verbunden zu bleiben"

Deshalb ist die diesjährige Entscheidung (SZ vom 2. März) zugunsten der drei spanischen Architekten Rafael Aranda, Carme Pigem und Ramon Vilalta eine regelrechte Sensation. Nicht nur wird endlich wieder einmal eine Frau geehrt: die 54-jährige Carme Pigem Barceló, - wobei zu sagen ist: Es gibt deutlich mehr Architektinnen als Architekten und deutlich zu wenig Preisträgerinnen; nicht nur wird auch endlich mal ein Dreierteam gewürdigt, denn die katalanischen Architekten sind unter dem Namen RCR Arquitectes bekannt und repräsentieren das, was eigentlich üblich ist in der Welt der Architektur: Teamarbeit; vor allem aber geht der Pritzker-Preis 2017 auch endlich einmal an Architekten, die nicht schon längst vom Glamour prestigeträchtiger Baukunst und serieller Signature Architecture umwabert sind. Die Entscheidung der Jury ist deshalb mutig - und richtig.

Dabei trifft es nun auch kein vollkommen unbekanntes Büro. In der Bauwelt sind die Katalanen, die seit 1988 in der Kleinstadt Olot nördlich von Girona arbeiten, anerkannt für Projekte, die aus dem regionalen Kontext heraus entwickelt wurden. Das gilt etwa für eine so behutsam wie eine Intarsie in den Stadtraum eingepasste Bibliothek in Barcelona.

Es gilt aber auch für eine Sportanlage in Olot, die nicht mit dem Stadt-, sondern vor allem mit dem Naturraum korrespondiert. Rücksichtnahme auf das, was früher einmal wunderbar altmodisch als Genius Loci bezeichnet wurde, als Geist des Ortes: Das ist es, was die Bauten des spanischen Büros auszeichnet. So entsteht Ensembletauglichkeit, Unterordnung, Dienendes. Was nicht entsteht: Emblematisches, Signifikantes, Einzigartiges oder Wahrzeichenhaftes. Was also nicht bedient wird in der spanischen Provinz, das ist die architektonische Eigenmarke mit internationalem Wiedererkennungswert.

Ganz gleich, ob etwa Frank Gehry für Facebook ein Büro, für Bilbao ein Museum oder, wer weiß, der Wettbewerb ist eröffnet, für München eine Philharmonie plant - es wird immer nach Gehry aussehen. Die moderne Stararchitektur ist zu einer Schwundstufe ihrer selbst verkommen. Zu einem ortlosen Phänomen. Der wichtigste Architekturpreis der Welt kann sich dieser zeitgeistigen Entwicklung korrigierend in den Weg stellen.

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