Architektur:Treibhäuser der Ideen

Architektur: Leben ohne Minimalismus - ein Raum in der Wohnung des Architekten Yona Friedman, der nur wenige seiner Entwürfe realisieren konnte.

Leben ohne Minimalismus - ein Raum in der Wohnung des Architekten Yona Friedman, der nur wenige seiner Entwürfe realisieren konnte.

(Foto: Johanna Diehl)

Niklas Maak beschreibt gesellschaftliche Utopien von Architekten, Johanna Diehl setzt sie betörend ins Bild.

Von Andrea Gnam

Gebaute Gesellschaftsutopie mit schon in die Jahre gekommenen Materialien, aber immer noch von einem Hauch Savoir-vivre und Liberté durchzogen, so ließen sich die Wohnkugeln, aufblasbaren Formationen und Terrassenhäuser aus den Sechziger- und Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts im philosophisch diskutierfreudigen Frankreich beschreiben. Zwischen ständig im Umbau begriffen und bereits Ruine bewegen sich die Wohnvisionen, die Niklas Maak in seinem gemeinsam mit der Fotografin Johanna Diehl herausgegebenen Buch "Eurotopians" den Nachgeborenen nahe bringt. Die heute hochbetagten Architektinnen und Architekten (viele von ihnen bereits in ihren Neunzigern), die Maak fast alle noch zu ihren Lebzeiten aufsuchen kann, beschließen gelassen ihr experimentierfreudiges Leben in den eigenen Bauwerken. Mit Zuneigung und genauem Blick für die gesellschaftlichen Umbrüche, den Eigensinn und die kühnen Ideen vom wilden Leben in einer ersehnten postkapitalistischen Gesellschaft werden Yona Friedman, die zu Unrecht vergessene Renée Gailhoustet, Claude Parent und vier weitere Architekten porträtiert. Der Nachhall ihrer Ideen ist bis heute zu spüren, selbst wenn ihre Bauten und Materialien nur bedingt dem gegenwärtigen Zeitgeschmack entsprechen mögen. So erscheinen sie wie Fundstücke und Werkzeuge aus einer anderen Zeit und man kann mit ihnen eine Art "Archäologie der Zukunft" betreiben. Maßgebliche Ideen, wenn auch unter ganz anderem gesellschaftspolitischen Vorzeichen, werden in der heutigen japanischen Architektur mitunter spektakulär und hochästhetisch neu formuliert. Das Moriyama House in Tokio reaktiviere, so Maak, eine gebaute Wohnutopie von Cini Boeri, die Einzelräume auf einen gemeinsamen Wohnraum mit Loggia fokussiert hatte.

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