Architektur:35 Kubik Heimat

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Wie viel Platz braucht man? Wie sieht bezahlbarer Wohnraum aus? Die Berliner Tiny House University versucht sich an Antworten.

Von Laura Weissmüller

Bett und Tisch sind in den Boden eingelassen, das Waschbecken versteckt sich hinter der Wand. Wer den silbernen Kubus über die hölzerne Freitreppe betritt, käme wohl erst einmal nicht auf den Gedanken, hier einziehen zu wollen. Obwohl die Lage fantastisch ist, mitten in Berlin, in direkter Nachbarschaft zu Walter Gropius' Bauhaus-Archiv. Könnte man aber, denn bei "35 Kubik Heimat" wie sich das Gefährt auf Rädern nennt, handelt es sich um eine vollausgestattete Wohnung, inklusive Küche, Bad und Toilette. Und das alles auf weniger als zehn Quadratmetern.

Der Prototyp ist eines der neuen Minihäuser auf dem Bauhaus-Campus. Das Areal vor dem Berliner Museum für Gestaltung bietet seit März einer Gruppe von Architekten, Gestaltern und Geflüchteten ein Jahr lang Platz, um an den Fragen unserer Zeit zu tüfteln: Wie sieht bezahlbarer Wohnraum aus? Was bedeutet Digitalisierung für die Arbeitswelt? Pro Häuschen eine Frage. Das Ziel ist der Entwurf einer gerechteren Stadt.

"Mit den kleinen Häusern wollen wir große Antworten geben", sagt Van Bo Le-Mentzel, Berliner Architekt und Erfinder der Hartz-IV-Möbel. Er hat das Experiment mit der von ihm gegründeten Tinyhouse University angestoßen. Wobei die Wohnanhänger - alle Entwürfe befinden sich auf Rädern - nach deutschem Baurecht gar keine Häuser sind. Was kleiner als zehn Quadratmeter ist, das ist rein rechtlich kein Haus und braucht deswegen auch keine Baugenehmigung.

Diese Gedankenfreiheit merkt man den Entwürfen an. "35 Kubik Heimat" etwa, das Innenarchitekturstudenten der FH Rosenheim entwickelt, finanziert und aufgebaut haben, beantwortet die Frage, was ein Mensch zum Leben braucht, so 007-Q-charmant wie eindeutig: Platz, aber keine Möbel. Deswegen verschwinden hier alle Einrichtungsgegenstände in doppelten Böden und Wänden, nur bei Gebrauch werden sie ausgeklappt. Zurück bleibt ein Raum, der mit all dem gefüllt werden kann, was gerade ansteht. Freunde einladen, Essen kochen, schlafen. Klingt elementar? Ist es auch. Und gleichzeitig wunderbar leicht: Für alles Beschwerliche ist hier einfach kein Platz.

© SZ vom 22.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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