Architektur:Ein Dorfplatz im Millionendorf

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Bei "Architecture Matters" wird unter anderem über den neuen Konzertsaal im Werksviertel diskutiert

Von Evelyn Vogel, München

Der Philosoph Julian Nida-Rümelin hatte in seinem Vortrag über die identitätsstiftende und integrative Kraft von Architektur und Urbanität bei der Architekturtagung "Architecture Matters" die Zuhörer auf hohem Niveau mitgenommen. Der Architekt und Architekturtheoretiker Patrick Schumacher, Partner im Architektur-Büro von Zaha Hadid und seit deren überraschendem Tod im vergangenen Jahr dessen Leiter, ließ sie während seines radikalkapitalistischen Plädoyers zur Selbstregulierung des freien Marktes in Architektur und Stadtplanung weit hinter sich. Und nicht nur das. Schumachers neoliberale Rede, vorgetragen im Schnellsprech eines Dieter Thomas Heck, aber gespickt mit theoretisch-semiotischen Begriffen, dass man sich im Universitäts-Seminar wähnte, wollte niemanden abholen, mitnehmen oder überzeugen. Sie schien einzig und allein darauf abzuzielen, Gegner seiner Auffassung der Deregulierung und Privatisierung von öffentlichem Raum zu überwältigen, zum Schweigen zu bringen.

So beneidete man den nachfolgenden Redner Jörn Walter nicht. Der Oberbaudirektor aus Hamburg, vertraut mit dem Planungs- und Baugerangel der Elbphilharmonie bis hin zu deren grandioser Eröffnung vor wenigen Wochen, aber gab Butter bei die Fische, wie man in Hamburg sagen würde. Mit einer rhetorisch und emotional sich steigernden Rede sprach er Klartext, gab Schumachers Theorien Contra und holte die Veranstaltung, die im Technikum im Werksviertel stattfand, auf den Boden der Tatsachen zurück.

Denn um Tatsachen, nämlich den Konzertsaal im Werksviertel, ging es in der anschließenden Münchner Diskussionsrunde. Veranstalterin Nadine Heinich von Plan A und Co-Moderatorin Silke Claus von der MCBW wollten von der Runde wissen, was München von Hamburg in Sachen Konzertsaal lernen kann. Der für das Werksviertel zuständige Architekt Johannes Ernst von Steidle Architekten betonte die Kooperationsbereitschaft zwischen Handel, privater und öffentlicher Hand, die dem Quartier mit seinen Mischnutzungen eine "Aggregatssteigerung des urbanen Zusammenhangs" bescheren werde. Walter wünschte München "ein Haus ohne Schwellen", eine Architektur, die "keine Kathedrale, aber eine Besonderheit im Kleinen" darstelle. Das bezog sich auf seine vorherigen Ausführungen, in denen er kritisiert hatte, dass allzu oft "Architekturereignisse in Ereignisarchitektur umschlagen" würden.

Ob aber München nicht doch eine solche Ereignisarchitektur brauche, wollte Silke Claus von dem für seine besonderen Bauprojekte bekannten Münchner Immobilienentwickler Stefan Höglmaier wissen. Das Werksviertel sei "kein Landmark-Grundstück", so Höglmaier. Der Konzertsaal werde sich in das vorhandene Areal und seine teils erhaltenen Bauten einfügen müssen. In Hamburg habe man eine Hochseejacht vor Anker gehen lassen. Hier werde man münchnerisch einen Dorfplatz gestalten. Bleibt zu hoffen, dass der Dorfplatz ein wenig Glanz des Millionendorfs abbekommt.

© SZ vom 13.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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