Architektur:Die Scheune

Das Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron hat das Rennen um den Neubau des Museum des 20. Jahrhunderts in Berlin gemacht. Eine mutige, wenn nicht kühne Entscheidung.

Von Gerhard Matzig

"Ist es eine Lagerhalle? Oder eine Scheune?" Diese Frage, sie ist dem Newsletter der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu entnehmen, könnte eine gewisse Ratlosigkeit angesichts der Entscheidung eines der wichtigsten deutschen Architektenwettbewerbe signalisieren. Die Konkurrenz zum Neubau des Museums "Neue Nationalgalerie - Museum des 20. Jahrhunderts" am Berliner Kulturforum, an der weltbekannte Architekten teilgenommen haben, ist jedenfalls entschieden. Nach dem Willen der Jury unter Vorsitz von Arno Lederer soll ein Entwurf vom Basler Büro Herzog & de Meuron (mit Vogt Landschaftsarchitekten, Zürich) die schon so lange schwärende Wunde am Kulturforum heilen.

Dort, inmitten lauter Architektur-Ikonen, in unmittelbarer Nähe etwa zu Mies van der Rohes Neuer Nationalgalerie und Hans Scharouns Philharmonie, soll nun ein, ja, scheunenartiger Bau aus Backstein entstehen, um in Zukunft die Bestände aus dem Depot der Neuen Nationalgalerie zusammen mit Privatkollektionen aufzunehmen. Auf den ersten Blick ist das schockierend. Denn der Entwurf der Schweizer Architekten, die auch das Nationalstadion in Peking oder die Londoner Tate Gallery realisiert haben, zeigt tatsächlich den Bautypus einer Lagerhalle unter einem gigantischen Satteldach. Solche Gebäude kennt man von der Autobahn in agrarisch genutzten Gegenden. Tatsächlich beschirmt dieses Dach aber zwei sich kreuzende Boulevards, die aus dem Museum einen lichten, öffentlichen Ort der Begegnung machen könnten. Und die Backsteinarchitektur duckt sich wie ein Nebengebäude in das Ensemble, um den Tempeln von Mies und Scharoun die Bühne zu überlassen, während es in seiner Ich-bin-gar-keine-Architektur-Präsenz dennoch von großem Selbstbewusstsein kündet. Eine mutige, wenn nicht kühne Entscheidung.

© SZ vom 28.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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