Konzertsaal-Debatte:Der schon wieder

Stephan Braunfels

Architekt Stephan Braunfels wurde nicht für den Münchner Konzerthaus-Wettbewerb zugelassen - nun klagt er.

(Foto: Martin Schutt/dpa)

Der Baumeister Stephan Braunfels klagt gegen den Münchner Konzerthaus-Wettbewerb. Recht bekommt er vielleicht nicht - aber er hat recht.

Von Gerhard Matzig

Die Geschichte vom neuen Konzertsaal für München ist reich an Bizarrerien. Jüngste Volte: Der in Berlin ansässige Architekt Stephan Braunfels, einer der maßgeblichen Kenner der Konzerthaus-Historie und Experte für Kulturbauten, wurde nicht zugelassen zum soeben eröffneten Wettbewerb. Jetzt ficht er das Verfahren an und klagt, wie er am Mittwoch in den Räumen der Münchner Kanzlei Seufert bekannt gab. Bei Butterbrezen und Obst sagte er über sich selbst: "Ich bin inzwischen der Michael Kohlhaas der Architektur." Don Quijote würde aber auch passen. Es geht um das Vergabeverfahren, das Braunfels nicht korrekt findet. Wie berichtet, wurden zu dem ausdrücklich "nicht offenen Verfahren" (mit Auswahlverfahren) sechs Architekturbüros direkt eingeladen. Weitere konnten sich um die Teilnahme bewerben. Aus mehr als 200 Bewerbungen hat der Bauherr, der Freistaat Bayern, vertreten durch das Staatliche Bauamt, mit Hilfe einer "Matrix" (eine Art Checkliste zur Prüfung der Bewerber-Kompetenz) 29 Büros ausgewählt. Das Büro Braunfels ist "knapp" an der Matrix gescheitert. Jetzt will er seine Teilnahme am Wettbewerb auf dem Rechtsweg einklagen, indem er das Verfahren zunächst "rügt". Es eilt. Schon im Mai tagt die Jury. Wer in die Suchmaschine "Braunfels klagt . . . " eingibt, ergoogelt sich 12 400 Treffer. So hat er sich im Jahr 2004 (erfolgreich) gegen ein Vergabeverfahren zum Dresdner Albertinum gewehrt; so hat er sich im Jahr 2007 (ohne Erfolg) um Schadenersatz im Streit um die Pinakothek der Moderne in München bemüht; und so hat er auch für Schlagzeilen gesorgt (Ausgang offen), als er kürzlich gegen den Bund vorging - in Sachen Parlamentsbau.

Nicht immer be- und verklagt Braunfels seine tatsächlichen oder potenziellen Bauherren. Manchmal beklagt er sich auch nur über das Unrecht in der Welt des Bauens. Manchmal könnte man fast auf die Idee kommen, Braunfels sei nicht nur ein bekannter und wegen seiner Baukunst und Städtebaukompetenz bemerkenswerter Architekt (der er ist), sondern er sei auch ein gerichtsnotorischer Streithansel. Was jedenfalls nicht ganz abwegig erscheint.

Das Verfahren sei "ein Skandal", sagt der Architekt, es schreie zum Himmel

Dieser Eindruck wird gelegentlich temperamentvoll genährt. So hat er erst vor einigen Tagen den Siegentwurf für das Berliner Kulturforum vom Büro Herzog & de Meuron als "Aldi" und "Bierzelt" bezeichnet. Zum entsprechenden Wettbewerb wurde er in Berlin nicht zugelassen - wie jetzt in München. Die Mail, die er daraufhin an Journalisten geschickt hat, ist ein merkwürdiges Dokument. Braunfels fragt darin, wie es sein könne, dass ausgerechnet er - "bekannt und berühmt", wie er nun mal sei - nicht zugelassen werde zum Verfahren. Das sei ein "Skandal" und "schreit zum Himmel". Wenn man allerdings den Lärm dimmt, bleibt, wenn nicht ein Skandal, so doch eine Eselei übrig. Doch ist es nicht die von Braunfels, sondern die der Bauherren. Es gibt nämlich kaum einen Architekten in der Welt, der die Bauaufgabe "Münchner Konzerthaus" besser kennen würde. Nicht berücksichtigt wurde Braunfels aufgrund der Matrix. Wer sie studiert, begreift: Einige Vorgaben sind unklug. In größeren Wettbewerben muss man als Architekt etwa nachweisen, dass man schon ähnlich komplexe Vorhaben realisiert hat. Braunfels könnte die Pinakothek vorweisen. Aber sie wurde 2002 eröffnet - die Matrix lobt in ihrem bürokratischen Furor aber nur Projekte ab 2010. Als würden Kulturbauten altern wie der Joghurt beim Discounter. Es gibt weitere Elemente der Matrix, die in die Irre gehen und von einer bauherrlichen Vollkaskomentalität, nicht aber von baukultureller Ambition zeugen. Die artifizielle Verengung der Architekturkonkurrenzen ist indessen ein globales Phänomen, das nicht zu mehr, sondern zu weniger Baukunst führt. Was München angeht: Abseits der Schreie gen Himmel würde Braunfels' Expertise dem Wettbewerb durchaus dienen. Und vielleicht ist er ja noch mehr Querdenker als Querulant. Die tun dem Bauen gut.

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