Architektur-Boom in Abu Dhabi:"Guggenheim ist kein McDonald's!"

Vier Museen, eine Konzerthalle und ein Biennalegelände: Thomas Krens, Chef des Guggenheim-Imperiums, spricht im Interview über das neue Kulturzentrum Abu Dhabi und die Verschiebung der Welt nach Osten.

Andrian Kreye

Thomas Krens ist Chef der Guggenheim-Museen. Seine weltweite Expansionsstrategie ist so erfolgreich wie umstritten. Am Mittwoch stellte er in Abu Dhabi ein neues Kulturzentrum mit vier Museen, einer Konzerthalle und einem Biennalegelände vor.

thomas krens guggenheim

Thomas Krens, Chef der Guggenheim-Museen.

(Foto: Foto: AP)

SZ: Herr Krens, wer kam auf die Idee, ein Kulturzentrum von dieser Größe auf einer Insel im Golf zu bauen?

Thomas Krens: Die Regierung von Abu Dhabi kam im Sommer 2005 mit einem Konzept zu uns, die Stadt als wichtiges Kulturreiseziel zu entwickeln. Offensichtlich hatten Sie unser Museum in Bilbao besucht. Die Planung für die Saadiyat-Insel, die der Stadt vorgelagert ist, war da schon recht weit fortgeschritten. Die Insel sollte in sechs Bezirke aufgeteilt werden, dazu gehört eben das Kulturzentrum, ein Naturschutzgebiet, ein Touristikzentrum, Golfplätze. Unsere Aufgabe war es dann, ein Kulturzentrum zu entwickeln, das jeder, der sich irgendwo auf der Welt für Kultur interessiert, besuchen muss. Und zwar nicht nur einmal.

SZ: Ist das nicht eine enorme Herausforderung, so viele Menschen nach Abu Dhabi zu locken? Liegt ja nicht unbedingt auf dem Weg.

Krens: Waren Sie schon mal in den Golfstaaten? Alleine in Abu Dhabi und Dubai leben ja immerhin dreieinhalb Millionen Menschen in Großstädten. Dann haben sie dort zwei gigantische Flughäfen, die auf halbem Wege zwischen Europa und Asien liegen. Und falls Sie es noch nicht bemerkt haben - die Welt verschiebt sich langsam nach Osten. Bisher war Abu Dhabi zwar nur ein Zwischenstopp zum Auftanken, aber wenn Sie sich Dubai ansehen, da boomt der Tourismus inzwischen so, dass ihnen das Land ausgeht und sie künstliche Inseln bauen müssen. Abu Dhabi ist auch nur fünfeinhalb Stunden von Frankfurt entfernt. Deswegen sind die meisten Touristen in der Gegend dort Deutsche und Russen. Im Moment gibt es keine Gegend in der Welt, in der es so viel Entwicklung und so viel Finanzkraft gibt wie dort. Und man darf nicht vergessen - während alle Welt über Dubai spricht, Dubai hat lediglich drei Prozent der weltweiten Ölreserven, Abu Dhabi hat ganze 10 Prozent. Abu Dhabi verfügt über so viele Ressourcen, dass sie tun und lassen können, was sie wollen. Und sie bauen da eine internationale Stadt. Abu Dhabi wird wie eine Drehscheibe zwischen den Kulturen funktionieren.

SZ: Aber trotz der guten Lage müssen Sie ja einiges bieten, um Kulturreisende aus der ganzen Welt anzuziehen.

Krens: Die Frage ist wohl rhetorisch. Wenn Sie ein Museum der modernen Kunst bauen, das Frank Gehry designt und das 40 Prozent größer als das in Bilbao ist, wenn Sie ein klassisches Kunstmuseum bauen, das Jean Nouvel gestaltet - und ich finde ja, dass dieses Museum das beste Gebäude ist, das er je entworfen hat - und wenn dieses Museum vom Louvre betrieben wird, auch wenn man das jetzt noch gar nicht sicher sagen kann; wenn dann Zaha Hadid ein Performing Arts Center baut, in dem ein Konzertsaal mit 2000 Plätzen, eine Bühne mit 1800 Plätzen und eine Oper mit 1200 Plätzen, ein Theater mit 900 und ein experimentelles Theater mit 400 Plätzen untergebracht ist; wenn man da noch ein National- und ein Schifffahrtsmuseum dazustellt und daneben einen Park mit 19 Pavillons einrichtet, die von 19 verschiedenen Architekten gestaltet werden, die etwas jünger sind und aus den Emiraten, aus China, Indien kommen und in dem man Biennalen veranstalten kann, die sich von der Biennale in Venedig oder von der Documenta deutlich unterscheiden, dann ist die Frage wohl beantwortet.

SZ: Wie soll sich so eine Biennale denn absetzen?

Krens: Ach, wenn Sie einen Ort entwickeln, der noch viel größer ist, als die Giardini in Venedig, wenn Sie das nicht nach Ländern ordnen, sondern einen Wettbewerb ausschreiben, in dem dreißig oder fünfzig Kuratoren aus aller Welt Konzepte für einen der 19 Pavillons vorlegen, dann werden die Leute schon neugierig werden.

SZ: Haben Sie denn an den Plänen für die Biennale und die anderen Museen mitgearbeitet?

Krens: Ja, wir haben den Masterplan entworfen und die Architekten rekrutiert. Jetzt werden wir uns auf das Guggenheim konzentrieren.

SZ: Wie wichtig sind denn solche signature buildings von Star-Architekten für solche Projekte?

Krens: Was soll ich sagen? Sollte man sich lieber für Mittelmäßigkeit entscheiden?

SZ: Was werden Sie selbst in Abu Dhabi zeigen?

Krens: Sie müssen mal ganz genau die Entwicklung in Bilbao betrachten. Wir haben dort in den letzten zehn Jahren eine grandiose Sammlung aufgebaut. Da sind wir längst an dem Punkt, dass das New Yorker Guggenheim gar nichts mehr aus seiner Sammlung zeigen muss. Aber das Modell ist viel subtiler. Ein Museum besteht aus einer Sammlung, aus internationalen Ausstellungen und aus regionalen Traditionen und kulturellen Werten. Ich glaube es gibt keinen Vorwurf, der lächerlicher ist als der, dass das Guggenheim ein Lizenzbetrieb à la McDonald's sei.

SZ: Aber es gibt immer wieder Widerstand gegen ihre Expansionsstrategie. In Ihrem eigenen Vorstand.

Krens: Ja, in der Vergangenheit. Heute ist mein Vorstand hier mit mir in Abu Dhabi.

SZ: Aber es ist nun mal so, dass Sie das Guggenheim zu einer Weltmarke aufgebaut haben.

Krens: Ja, aber wer das als Vorwurf formuliert, hat sich nie angesehen, wie groß die Unterschiede zwischen dem Guggenheim in Berlin, Bilbao und New York sind. Es gibt keine einzige Ausstellung, die in Berlin gezeigt und einfach aus New York übernommen wurde, weil wir alle Programme individuell gestalten. Werden wir unsere Sammlung einsetzen? Natürlich. Genauso wie die Sammlungen der Eremitage in St. Petersburg und des Kunsthistorischen Museums in Wien, mit denen wir Partnerschaften eingegangen sind.

SZ: Dann ist Bilbao die Blaupause, wie man eine Stadt mittels Kultur zu einer Marke aufbaut?

Krens: Im Moment entwickeln sich ja alle möglichen Institutionen ganz rapide. In der Bildung, der Wirtschaft, in Regierungen. Warum sollten die Kulturinstitutionen statisch bleiben? Ein Kunstmuseum ist ja prinzipiell eine Idee des 18. Jahrhunderts. Kultur muss auf die gesellschaftlichen Strömungen reagieren, auf denen sie ja letztlich basiert. Da kann man ganz groß denken und Abu Dhabi ist bereit, das zu tun.

SZ: Bereitet sich Abu Dhabi nicht auf den Moment vor, wenn das Öl ausgeht?

Krens: Natürlich. Man muss dort neue Industrien aufbauen und das Land zu einem Ort machen, an dem Leute leben wollen. Ich kenne zufällig die Untersuchungen, wann das Öl ausgeht. Beim derzeitigen Verbrauch im Jahr 2146.

SZ: Dann ist das Kulturzentrum also nur die Reaktion auf eine Entwicklung, die schon im Gange war.

Krens: Genau. Das war auch in Bilbao schon so. Da war schon ein U-Bahnnetz im Bau, das Norman Foster gestaltet hat und ein neuer Flughafen von Calatrava. Die haben dort den Übergang von einer Stahl- und Schiffsbauindustrie zu Leichtindustrien und Informationstechnologien vollzogen. Das Museum war dann ein wichtiger Teil strategischer Städteplanung. Deswegen war es ja auch so erfolgreich.

SZ: Schaffen Sie mit einer Kulturstadt Abu Dhabi nicht eine gewaltige Konkurrenz zu den traditionellen Kulturzentren in Europa und Amerika?

Krens: Gibt es irgendeine Bestimmung, die sagt, dass Kultur die alleinige Domäne des Nordatlantiks ist? Was sind denn die wahren Kulturzentren? Achtet der Westen den wirklich auf die Kulturen in Asien oder Indien, welche so viel älter sind, als die westlichen Kulturen? Sie müssen den kulturellen Institutionen einfach erlauben, sich zu entwickeln, und Sie müssen dabei darauf achten, in welche Richtungen sich die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strömungen heute bewegen. Ob dadurch die traditionellen Kulturzentren in New York, London oder Paris herausgefordert werden? Ich glaube ja.

SZ: Ist es nicht verständlich, dass sich diese Zentren bedroht fühlen?

Krens: Finden Sie nicht, dass ich ein netter Mensch bin? Ich mache das jetzt schon eine ganze Weile. Lesen Sie mal den Artikel, den Alan Riding am 1. Januar in der New York Times veröffentlicht hat. Da geht es letztlich um Abu Dhabi und den Streit um den Louvre und da stand, dass die französische Regierung ihre Politik geändert hat, um den Weg zu gehen, den das Guggenheim in den Neunzigern geebnet hat. Ich bitte Sie, das ist die französische Regierung, das ist der Louvre.

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