Architekt Peter Zumthor:Der große Individualist

Der Schweizer Architekt Peter Zumthor erschafft Raum- und Lichtwunder. Dafür wurde er jetzt mit dem höchsten Architekturpreis geehrt, dem Pritzker-Preis.

Gottfried Knapp

Zwischen hohen Bergen gibt es Orte, in denen die Sonne sich schon früh verabschiedet, Sonnenuntergänge also nie zu erleben sind. Das winzige Städtchen Haldenstein bei Chur in Graubünden ist solch eine Ortschaft. Es schmiegt sich jenseits des Rheins so an die Felswände des Calanda-Massivs, dass die Sonne schon am mittleren Nachmittag hinter dem Berg verschwindet.

Architekt Peter Zumthor: Bedacht mit höchsten Architekten-Ehren: Peter Zumthor vor seinem Haus in Haldenstein bei Chur.

Bedacht mit höchsten Architekten-Ehren: Peter Zumthor vor seinem Haus in Haldenstein bei Chur.

(Foto: Foto: AP)

In diesem versteckten Nest lebt und arbeitet Peter Zumthor, 65, der große Individualist unter den prominenten Architekten unserer Zeit. Es ist also durchaus wahrscheinlich, dass Zumthors außerordentliche Sensibilität für atmosphärische, räumliche und luministische Werte in der Architektur etwas mit diesen extremen lokalen Lichtverhältnissen zu tun hat.

Ganz privates Gefühl für Lichtverhältnisse

Wie kein anderer Architekt macht Zumthor sein intimes Empfinden für einen bestimmten Ort, sein ganz privates Gefühl für Lichtverhältnisse, Größenordnungen und Abstände zum Maßstab für seine Erfindungen und für die Wahl des jeweiligen Materials. Keiner seiner wenigen Bauten hat darum rein äußerlich auch nur die geringste Ähnlichkeit mit einem anderen.

International bekannt wurde Zumthor im Jahr 1989 durch die auf einer Wiesenkuppe thronende winzige Kapelle Sogn Benedetg im rätoromanischen Sumvitg: Das ist ein im Grundriss tropfenförmiger fensterloser Betonbau, der außen wie eine Almhütte mit Holzschindeln verkleidet ist und über einen umlaufenden Lichtschlitz unter dem aufliegenden Satteldach belichtet wird.

Als extremen Gegensatz zu diesem holzsichtigen Rundbau wird jeder Laie die kantigen Sichtbetonkuben der frei in der Graubündner Landschaft stehenden Therme Vals empfinden; sie umschließen natursteindunkel ausgekleidete Baderäume von geradezu magischer Lichtqualität. Licht spielte auch bei der Gestaltung des Kunsthauses Bregenz eine zentrale Rolle.

Die Stockwerke in dem glasumfangenen Würfel sind so weit auseinandergezogen, dass durch die gläserne Außenwand tagsüber genug Licht auf die Glasdecke der einzelnen Etagen fällt, alle Stockwerke also mit dem Wunder natürlichen Oberlichts aufwarten können.

Als Raum- und Lichtwunder ist auch "Kolumba" in Köln, der über den Ruinenmauern der gotischen Kolumbakirche errichtete Museumsbau der Erzdiözese, mit seinen punktuell durchbrochenen Wänden gefeiert worden. Umso bedauerlicher ist es, dass in Berlin wegen peinlicher Schlampereien der beauftragten Billigfirmen der begonnene Bau des Dokumentationszentrums "Topographie des Terrors" eingestellt werden musste. Zumthors lichtdurchflutetes Gittergehäuse hätte der Stadt ein Raumgebilde und ein Museumsmonument von Schinkel'scher und Mies'scher Qualität beschert.

Statt nach Berlin fahren Architekturtouristen nun nach Mechernich-Wachendorf in der Eifel, wo Zumthor 2007 in privatem Auftrag einen fünfeckigen Turm als Feldkapelle für Bruder Klaus errichtet hat. Dass Zumthor, der als Magier des Lichts alle wichtigen Architekturpreise schon erhalten hat, irgendwann mit der höchsten Auszeichnung, dem Pritzker-Preis, geehrt werden würde, war also nur eine Frage der Zeit. In diesem Jahr ist es so weit.

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