"Anne Will":IS-Sympathisanten in Talkshows einzuladen, verzerrt die Realität

Bei "Anne Will" ist jedem Gast eine spezielle Rolle zugedacht. Auch der Islamvertreterin Nora Illi. Möglichst unterschiedliche Meinungen garantieren eine lebendige Show - aber keine wertvollen Einblicke.

Kommentar von Andrian Kreye

Ausgewogenheit ist eine Tugend des Journalismus. Das gilt auch für Talkshows. Die bemühen sich darum, dass möglichst viele Meinungen zu einem Thema zu Wort kommen. Am Sonntag war das wieder der Fall. Da sprach eine Runde bei Anne Will darüber, wie gefährlich es ist, wenn der IS in Europa neue Mitglieder anwirbt.

Zu Wort kam da auch Nora Illi vom Islamischen Zentralrat der Schweiz. Sie trat im Niqab auf und erzählte von den Diskriminierungen, denen sie als Muslima ausgesetzt ist. Sie machte aber auch keinen Hehl aus ihren Sympathien für den IS. Die Reaktionen nach der Sendung reichten von entsetzt bis empört.

Zu Recht. Es gibt einen Unterschied zwischen Talkshows und journalistischen Formen wie der Reportage. Die Redaktion einer Talkshow muss sich überlegen, welcher Gast welche Rolle spielen wird. Eine Talkshow castet ihre Protagonisten wie eine Filmproduktion. Dabei gilt, je unterschiedlicher die Meinungen, desto lebendiger die Show. Wenn man beim Casting die islamische Welt mit einer Radikalen besetzt, ergibt sich aber ein schiefes Bild.

Dschihadisten sind eine extreme und winzige Minderheit. Gibt man ihnen die große Bühne der Talkshow, garantiert das Kontroversen. Es verschiebt aber auch die Realitäten. Das Extrem steht immer nur für das Extrem. Den Eindruck, dass es einem wertvolle Einblicke liefert, darf man nicht aufkommen lassen.

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