Anke Engelke ist wieder da:"Der Pocher brennt"

Irrsinnsbrodeln unter dem Deckel der Normalität: Anke Engelke spricht über ihr Problem mit Late-Night und den Neustart von "Ladykracher". War sie je weg?

Hans Hoff

Wenn man in den vergangenen Wochen mit Anke Engelke verabredet war, diktierte sie gerne das Thema. Erst mal über den Fernsehpreis sprechen wollte sie, erst mal eine weitere Meinung einholen. "Wir sprechen im Team über nichts anderes", sagte sie kurz nach dem Ereignis.

Anke Engelke ist wieder da: Wieder da: "Ladykracher" Anke Engelke.

Wieder da: "Ladykracher" Anke Engelke.

(Foto: Foto: dpa)

In ihrer Stimme war Verunsicherung zu spüren, stärker noch als jene Verunsicherung, die ihr Reden sonst ohnehin prägt. Einem einzigen großen Fragezeichen glich das manchmal, wenn sie erzählte. "Ist das so, wie wir das machen, richtig?", schien sie zu sagen. Ob es richtig war, werden die Zuschauer mitentscheiden, wenn sie am 7. November wieder auf dem Bildschirm erscheint mit der vierten Staffel von Ladykracher, jener Sketchserie, die immer noch als ihr ganz großer Erfolg zu werten ist.

Anke Engelke spricht viel in diesen Tagen. Sie wirbt für sich, aber mehr wirbt sie für ihr Produkt, für ihr Team, für die Mannschaftsleistung. Es wirkt, als sei es ihr peinlich, dass sie an der Front steht, dass all die anderen immer wieder ausgeblendet werden. Laufend wirft sie die Namen ihrer Mitstreiter ein, betont immer wieder, wie viel sie von denen hält und vergisst dabei oft, sich selbst zu erwähnen. Ihr Licht stellt sie ständig unter den Scheffel. Ladykracher sei ganz auf sie zugeschnitten, das findet sie problematisch.

Mein Late-Night-Problem

Da spürte sie wieder ihre Furcht vor den Stand-ups, jenen 90 Sekunden, in denen sie vor einem Publikum steht und Witzchen reißt, bevor dann die Filme eingespielt werden. "Ich hasse es, da vorne zu stehen", sagt sie, bekennt sich aber zu ihrer Schwäche. "Das war ja auch mein Late-Night-Problem", sagt sie: "So was kann der Pocher, ob man den mag oder nicht. Der brennt. Ich brenne aber nicht. Ich will eher wissen, ob die Zuschauer eine gute Anreise hatten."

Das ist sie. Anke Engelke, die Mutter der Truppe. Sie sorgt sich, sie fügt sich. Weil die anderen sagen, dass es besser ist, wenn sie da raus geht und die Lustige gibt, geht sie raus und gibt die Lustige. "Bei Ladyland haben sich die Leute nicht an die Hand genommen gefühlt", berichtet sie vom Vorgängerprojekt, das mit längeren Stücken ambitioniert startete und dann ganz schnell in die Abteilung Kunst verordnet wurde, was im Privatfernsehen einer Abschiebung in die Kaste der Verlierer gleichkommt.

Also führt Anke Engelke nun wieder ein in ihr Werk. "Das wird für die Zuschauer sonst ein Schock, wenn die da so reingeschubst werden", sagt sie: "Die Menschen mögen uns, weil sie uns glauben. Ich werde die diesmal nicht allein lassen mit unseren kranken Sachen. Da bin ich wie immer auf einer Mission."

Die kranken Sachen sind eine Ansammlung kleiner Filme, die einen respektablen Standard für die deutsche Witzindustrie setzen. Engelke spekuliert nicht auf die schnellen Lacher, sie spielt ihre Rollen aus. Todernst, und nicht ein einziges Mal deutet die Betonung an, dass nun gleich eine Pointe herbei geschwirrt kommt. Eisenhart durchgezogen hat sie diesen Ernst, keine Chance gibt es für den schnellen Lacher. Ernst bleiben ist das Gebot der Stunde. Formal ist das nicht lustig, aber es bewegt sich deutlich auf den Spuren großer britischer Komiker.

Schöner Wahnsinn

Der Witz liegt bei Engelke im Ernst, der konsequent etwas behauptet, was offensichtlich nicht stimmt. Wenn Anke Engelke als Lehrerin türkischen Schülern das korrekte Deutsch austreibt und in Kanak umschreibt, dann zeichnet sie einen schönen Wahnsinn auf den Bildschirm, einen, der haarscharf an der Realität vorbeischlittert und deshalb so eindringlich wirkt. Dazu leistet sie sich den Luxus, nur drei Minuten am Tag zu drehen und auf die Kraft der Bilder zu setzen. Zwischendurch wirkt das schon mal wie großes Hollywood-Kino, wie behauptetes Großkino, das sich aller Stimmungselemente bedient, die man von einem ordentlichen Katastrophenthriller erwarten kann. Der notwendige Bruch schleicht sich aber nur langsam ein, nicht als platter Gag, sondern als Irrsinnsbrodeln unter dem Deckel vermeintlicher Normalität.

"Der Pocher brennt"

Einige Mitarbeiter hat das ein bisschen enttäuscht. "Die Praktikanten haben sich das am Set ganz anders vorgestellt. Die haben gedacht, wir lachen uns da den ganzen Tag nur kaputt. Wir arbeiten aber, das ist total ernst da", sagt sie und schwärmt von ihrem neuen Spielpartner Charlie Hübner. Der habe am Schluss der Dreharbeiten tatsächlich gesagt, er habe etwas gelernt am Set von Ladykracher. "Charlie Hübner ist eine Sensation", schwärmt sie und wirkt, als könnte sie es immer noch nicht glauben, dass jemand ausgerechnet von ihr etwas lernen kann. "Da kommen Theaterleute, die mal ein anderes Timing, die Straße und Leben spielen wollen. Die wollen alle bei uns mitmachen."

Dem Affen Zucker

Natürlich gibt sie zwischendrin mal dem Affen Zucker. Da kommt ihre Kunstfigur Ruth, die mit den langen Flechtzöpfen, dem Hippieoutfit und der extrem gedehnten Sprache, zu Wort und schwärmt im besten Ökotrinendeutsch davon, wie prima das bei ihrem Freund mit der Penisverpflanzung geklappt hat. "Ich möchte zwischendurch auch mal einen Schock", sagt Engelke. "Läppisch ist genug Anderes, läppisch will ich nicht. Das sollen andere machen." Sie steht dazu, ihr geht es um die Haltung. "Wenn die Spielfreude da ist, wenn dem Schauspieler bei jedem Wort und in jeder Sekunde bewusst ist, was er da macht, dann bin ich absolut zu haben für puren Quatsch. Mir ist die Ernsthaftigkeit im Spiel ungeheuer wichtig." Viele Menschen, die dieser Tage mit ihr reden, fragen sie, warum sie so lange weg vom Fenster war. Dann wundert sich Engelke oft sehr, weil sie das gar nicht so empfunden hat. "Ich bin eigentlich ständig irgendwo auf Sendung, aber keiner kriegt es mit", sagt sie und nennt den Zustand "so ein Nischendasein."

Arbeit hat sie genug. Sie synchronisiert Mutter Marge bei den Simpsons, sie hat mit Bastian Pastewka die für den Fernsehpreis nominierte Ausnahmeshow Fröhliche Weihnachten aufgezeichnet, wovon es auch in diesem Jahr wieder eine Ausgabe geben wird. Sie tritt in der ARD regelmäßig im Kinderprogramm beim kleinen blauen Elefanten auf und lebt dort ihre pädagogische Seite aus. Dann hat sie im Spielfilm Lippels Traum die böse Haushälterin gespielt, worauf sie stolz ist. Diesen Stolz leistet sie sich einfach. Er ist leichter zu haben, weil sie beim Kino nur eine von vielen ist und nicht die Rampensau geben muss. Anders als beim Fernsehen. "Bei Ladykracher bin ich das Thema. Das ist das Problem. Da klingt das mit dem Stolz doch gleich so angeberisch", sagt sie und offenbart Zweifel.

Wenn man sie lässt

Irgendwann kommt dann das Gespräch wieder auf den Fernsehpreis und die Frage, wie denn wohl Reich-Ranicki die vierte Staffel von Ladykracher beurteilen würde: "Ich glaube nicht, dass der das gut fände", sagt sie und begründet das auch. "Der versteht die Sprache nicht. Die aktuelle, die moderne Sprache kennt der nicht. Und die ist bei Ladykracher extrem wichtig. Das ist ein sehr zeitgenössisches Format."

Obwohl der Fernsehpreis-Eklat ihre Skepsis gegenüber dem eigenen Tun genährt hat, will sie doch auch am gescholtenen Privatfernsehen festhalten. "So viel Freiheit wie bei Sat 1 hatte ich nirgendwo. Da werde ich gut behandelt, da bleibe ich", sagt sie und offenbart, dass es nach den nun angesetzten elf Folgen Ladykracher durchaus noch mehr geben kann. Wenn man sie nur lässt.

Ladykracher, Sat 1, Freitag, 22.15 Uhr.

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