Animationsfilm "The King of Pigs" auf DVD:Brutaler sein als die Peiniger

"The King of Pigs" auf DVD

Gewalt in gezeichneten Bildern: Der Anime-Film "The King of Pigs" ist freigegeben ab 16 Jahre.

(Foto: drop-out cinema)

Anime-Filme müssen nicht nur etwas für ein kindliches Publikum sein. "The King of Pigs" illustriert die brutale Hackordnung in der südkoreanischen Gesellschaft. Und einen Mord.

Von Benedikt Frank

"The King of Pigs" ist ein Zeichentrickfilm, doch schon das erste Bild macht klar, dass hier keine Kinderunterhaltung läuft: Der leblose Körper einer Frau, zusammengesackt auf dem Küchentisch. Das Grauen ihrer letzten Momente spiegelt sich in ihren weit aufgerissenen Augen. Die Finger sind im Todeskampf verkrampft, sie hat versucht, sich aus der Schnur zu befreien, mit der sie soeben erdrosselt wurde - von ihrem Mann. Ein jämmerliches Geheule und wahnsinniges Hyperventilieren des Mörders sind zu hören. Er steht unter der Dusche einer Wohnung, auf deren gesamter Einrichtung bis zu den einzelnen Sofakissen die roten Aufkleber des Gerichtsvollziehers prangen.

Das japanische Animationsstudio Ghibli hat bereits vorgemacht, dass Anime-Filme nicht nur für ein kindliches bis jugendliches Publikum sein müssen. Mit "Die letzten Glühwürmchen" etwa, einer Geschichte über die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs, in der zwei Kinder hungernd durch das zerstörte Japan irren. Diese ist zwar in ihren Bildern selbst weniger brutal, sodass die Altersfreigabe noch bei sechs Jahren liegt. Doch die Ernsthaftigkeit der Erzählung spricht auch Erwachsene an.

Nah an der Kinderperspektive bleibt nun auch Yeun Sang-Hos südkoreanische Independent-Produktion "The King of Pigs" - nur ist diese erst ab 16 Jahren freigegeben. Der Mörder ruft nach seiner Tat seinen Schulfreund an, einen erfolglosen Autor. 15 Jahre hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen. In Rückblenden erzählen sie sich von ihrer Schulzeit. Sie waren damals am unteren Ende der strengen Hackordnung.

Beschimpft, getreten, sexuell genötigt

Der eine in eine arme Familie geboren, der andere in eine, die zwar Geld hat, dieses aber im Rotlichtmilieu verdient. Täglich sind sie Angriffen ausgesetzt, werden von Mitschülern beschimpft, getreten, sexuell genötigt. Bis eines Tages ein Neuer an die Schule kommt, der zunächst ebenfalls drangsaliert wird - sich aber wehrt. Er wird der Anführer der "Schweine", wie er ihre soziale Klasse nennt, die den privilegierten "Hunden" als Jagdbeute dient. Um sich nicht mehr willig zur Schlachtbank führen zu lassen, müssen die Schweine zu Monstern werden, sagt der Neue, sie müssen noch brutaler sein als ihre Peiniger. Ein verbitterter Revolutionär spricht aus diesem Jungen.

Mit der klassischen Cartoon-Gewalt, mit Daffy Duck, der vom Ambos erschlagen wird und gleich wieder aufsteht, hat dieser Film nichts zu tun. Die Schläge haben Gewicht, sie hinterlassen Narben, auch seelische. Die rohe Animationstechnik ist vor allem den Produktionsbedingungen von nur 150 000 US-Dollar geschuldet, aber sie unterstreicht auch die Härte dieser Welt: Ohne sich zu rühren, schauen die Schüler statisch zu, wenn die Körper der anderen auf den Boden knallen.

Immer wieder zittern diese Körper aber auch richtig auffällig, bei den sonst so reduzierten Bewegungen. Vor Schmerz, vor Furcht, vor Wut, weil der psychologische Druck sich ein körperliches Ventil sucht. Gerade beim Seelenleben seiner Figuren unterscheidet sich "The King of Pigs" stark vom traditionsreichen südkoreanischen Rachefilm-Genre. Park Chan-wook etwa ästhetisiert in seinen Filmen wie "Oldboy" die Gewalt extrem, sodass sie immer zum reinen Schauwert zu werden droht. Das geschieht hier nicht. Statt dass die Brutalität nur ausgestellt wird, ist sie der Spiegel einer Klassengesellschaft, in der die Handelnden versuchen, menschlich zu sein - und dabei Monster werden.

Schwein, Hund oder Monster

Der Film zeigt, wie die hierarchische Gewalt dieser südkoreanischen Gesellschaft schon die Jüngsten verändert. Sie sind zunächst kindlich unschuldig, jenseits von Gut und Böse. Beim Kampf mit den Ungeheuern werden sie aber nicht automatisch selbst zu solchen, sie zwingen sich vorerst nur aus Selbstschutz zur Gewalt, weil sie keinen anderen Ausweg sehen.

Wie es durch diese Geschehnisse in der Kindheit über viele Demütigungen und Eskalationsstufen zur Eingangsszene mit der ermordeten Frau kommen konnte, wird dann später die entscheidende Frage des Films: Warum es in dieser Welt keine anderen Optionen geben kann, als Schwein, Hund oder Monster zu sein.

The King of Pigs ist als DVD in der koreanischen Originalversion mit deutschen Untertiteln erschienen (ab 20 Euro).

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