Angeben für Anfänger:Überall Kummer

Von Trauer beim Magazin Neon las man vergangene Woche, es fielen Begriffe aus der klinischen Psychiatrie - und Sie wussten nicht, warum? Lernen Sie mitzureden über: Borderline-Journalismus.

K. Riehl

4 Bilder

Bildnis des Dorian Gray

Quelle: SZ

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Von großer Trauer beim Magazin Neon las man vergangene Woche, es fielen Begriffe aus der klinischen Psychiatrie - und Sie wussten nicht, warum? Wir sagen Ihnen, was Sie wissen müssen über: Borderline-Journalismus.

Was ist das?

Der Borderline-Journalismus lehnt sich semantisch an eine Krankheit, zu deren Symptomen neben der Neigung zu Selbstverletzungen auch eine dissoziative Persönlichkeit gehört, bei der sich das Ich in mehrere Persönlichkeiten spaltet. Die Bezeichnung Borderline (deutsch: Grenzlinie, grenzwertig) bezeichnet eine Krankheit im Grenzbereich zwischen den neurotischen und psychotischen Störungen.

Grenzwertig ist auch der Borderline-Journalismus - auch wenn Tom Kummer den Begriff eher als Schönsprechung seiner gefälschten und dem SZ-Magazin verkauften Interviews verwendete. Die Grenzen, so meinte er, zwischen Fiktion und Realität seien nun mal fließend - und deklarierte seine Grenzüberschreitungen gleich zur Kunstform. Dass das schon im Jahr 2000 auf wenig Gegenliebe stieß, hielt den Neon-Autor Ingo Mocek nicht davon ab, anstatt stundenlang mit Beyoncé Knowles zusammenzusitzen, sich die Antworten doch auch einfach selber auszudenken.

Texte: Katharina Riehl/sueddeutsche.de/bgr Bild: Dorian Gray betrachtet sein ihm fremd gewordenes Ich auf einem Gemälde/ Verleih

Kind, Fingerfarben, Kreativität

Quelle: SZ

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So machen Sie sich lächerlich:

Vorsicht walten lassen sollten Sie in diesem Zusammenhang unbedingt bei der Verwendung des Wortes Kreativität. Meiden Sie also Sätze wie: "Ist doch beeindruckend, was dem Mann alles eingefallen ist." oder "Wie toll der sich da hineinversetzen kann - und das obwohl er diese Leute ja gar nie kennengelernt hat."

Foto: Schaut, wie schön es malt: ein kreatives Kind/ oh

Gummibärchen, Plagiat, ddp

Quelle: SZ

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So schinden Sie Eindruck:

Werden Sie grundsätzlich, schlagen Sie um sich, hauen Sie gleich die ganze Branche in die Pfanne. So zeigen Sie, dass Sie haargenau wissen, wo eine solche Geschichte eingeordnet gehört: "Journalisten lügen, wenn Sie den Mund aufmachen", wäre da ein guter Satz, oder auch: "Die schreiben doch eh alle, was sie wollen." Sie lassen sich da nichts vormachen.

Bild: Patricia Riekel, Chefredakteurin der Bunten, derzeit unter Beschuss wegen angeblich krimineller Recherchemethoden ihres Blattes/ ddp

Schtonk, Kujau, Uwe Uchsenknecht, Film, Verleih

Quelle: SZ

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Zitieren Sie ...

... am besten den Mann, der in Sachen gefälschte Zeitdokumente auch vom findigsten Borderliner nur schwer einzuholen sein dürfte: Zitieren Sie Adolf Hitler höchstpersönlich - zumindest sein höchstpersönliches Tagebuch, einst verfasst von Konrad Kujau für die Veröffentlichung im Magazin Stern: "Hoffentlich bekomme ich für Eva noch Karten!", notiert da der Führer. Nein, so schöne Sätze schreibt das wahre Leben nicht.

Foto: Die Fälschung des Fälschers - Uwe Ochsenknecht in Schtonk!/ Verleih

Und in der nächsten Woche hoffen wir, Sie über ein Thema aufklären zu können, das nichts mit betrügerischen Machenschaften zu tun hat. Bis zum nächsten Mal.

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