Angeben für Anfänger:Fortsetzung des Flirts

In dieser Woche teilte Alice Schwarzer wieder tüchtig aus - und musste tüchtig einstecken. Daran war nicht nur Kristina Schröder schuld. Lernen Sie mitzureden über: Feminismus.

Ruth Schneeberger

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Alice Schwarzer

Quelle: dpa

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In dieser Woche teilte Alice Schwarzer wieder tüchtig aus - und musste kräftig einstecken. Daran war nicht nur Kristina Schröder schuld. Lernen Sie mitzureden über: Feminismus.

Was ist das?

"Von der gesellschaftlichen Ungleichheit zwischen Frau und Mann ausgehend, zielt der Feminismus auf eine verbesserte Lage der Frau und eine faktische Gleichstellung in der Gesellschaft ab. Unter dem Begriff werden zahlreiche, teilweise auch gegenläufige Strömungen zusammengefasst."

Mit dieser kurzen Zusammenfassung ist Wikipedia als Weisheitsorgan der Massen wirklich einmal hilfreich. Wir lernen: Diese Strömung geht davon aus, dass Frauen und Männer bisher nicht gleichberechtigt waren und es aber werden sollen. Teilweise ist man sich da aber nicht einig. So viel und so wenig drückt der Begriff Feminismus in aller Kürze aus.

Wir erkennen also: Feminismus ist nicht peinlich.

Auch wenn Bundesfamilienministerin Kristina Schröder ihre persönlichen Gründe dafür haben mag, dies zu denken. Schließlich säße sie ohne diese weibliche Bewegung und ihre jahrzehntelangen Kämpfe nicht auf ihrem jetzigen Posten. Was sie selbst auch weiß. Da kann man schon mal was verwechseln.

Und es ist erst mal Alice Schwarzers ureigenstes Recht, sich über ihre eigene Homepage gegen die Kritik an ihrer Person und ihrer Ziele ausgerechnet von der 34 Jahre jüngeren Bundesfamilienministerin zu wehren. Schröder hatte im Spiegel-Interview vom Montag gesagt, dass ihr viele Forderungen des Feminismus und von Schwarzer selbst zu weit gingen und "absurd" seien. Schwarzer konterte, Schröder sei eine "Fehlbesetzung".

Dass innerhalb der Politik Oppositionelle diese Chance ergreifen, um sich an der in der Tat bisher wenig tatkräftigen CDU-Politikerin abzuarbeiten, liegt auf der Hand.

Wenn aber abseits dieser politischen Diskussion in Feuilletons und Medien die Chance genutzt wird, Alice Schwarzer für diese Regung abzuwatschen, ist das bedenklich. Von "Boshaftigkeit" und "Unbelehrbarkeit" ist da die Rede. Offenbar von Männern, denen die Feministin und Journalistin immer schon ein Dorn im Auge war.

Und die ewige Nörgelei im weniger intellektuellen Milieu über das Aussehen von Deutschlands Vorzeigefeministin, womöglich noch im Vergleich mit Kristina Schröder,  kommt bei dieser Gelegenheit im Rahmen der gerne geführten Neid-Debatte in vielen User-Kommentaren auch schon wieder auf.

Text und Bildauswahl: Ruth Schneeberger/sueddeutsche.de 

US-Künstlerin Kate Millett wird 75

Quelle: dpa

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So machen Sie sich lächerlich: 

Bewerten Sie Feministinnen nach ihrem äußeren Erscheinungsbild. Bringen Sie den alten Witz an die Frau: Wie verhütet eine Feministin? Mit ihrem Gesicht.

Als US-Künstlerin Kate Millett (Archivfoto vom 1979) in den siebziger Jahren ihre Dissertation Sexus und Herrschaft mit dem Untertitel "Die Tyrannei des Mannes in unserer Gesellschaft" schrieb, und diese weltweit die Bestsellerlisten eroberte und zur Bibel des Feminismus avancierte, hätten Sie für solcherlei Äußerungen wohl noch die militante Seite des Feminismus und seiner zahlreichen Gruppierungen und Ausprägungen zu spüren bekommen.

Heute werden Sie in aufgeklärten weiblichen Kreisen ein Lachen ernten - aber eher über Ihr Weltbild, dass Frauen vor allem appetitlich zu sein haben und ansonsten verfügbar. Nichts liegt Alice Schwarzer ferner als dies.

Die aufgeklärte Frau von heute trägt in diesen Krisenzeiten vielleicht Kostümchen und Kontaktlinsen. Das ist aber ihrem eigenen Geschmack geschuldet und womöglich der Tatsache, dass sie ihre Familie ernähren muss, Jobs rar sind und immer noch hauptsächlich von Männern vergeben werden. Selbst hinter Minirock, Wallemähne und Pamela-Anderson-Figur kann heutzutage eine Feministin stecken. Seien Sie also vorsichtig.

Verona Feldbusch, Johannes B. Kerner und Alice Schwarzer, 2001

Quelle: ZDF

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So schinden Sie Eindruck: 

Wagen Sie sich in den Ring mit Alice Schwarzer. Und zwar in einer öffentlichen Debatte. Auge in Auge, womöglich noch mit einem seichten Moderator im Hintergrund. Verona Pooth hat das, 2001 noch als Feldbusch, bei Johannes B. Kerner, damals noch im ZDF, mit einem Blubb hinbekommen - dann schaffen Sie das auch. Kommen Sie raus aus der Deckung und werfen Sie ihr alles an den Kopf, was Sie ihr und diesen ganzen Emanzen schon immer sagen wollten. Die hält das aus. Die ist das gewöhnt. Wie sagte schon Max Frisch? Erlaubt ist, was gelingt.

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Quelle: AFP

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Zitieren Sie: 

Noch einmal Max Frisch (1911-1991), weil er noch vor Wikipedia die kürzeste und zugleich die literarisch schönste Definition für Feminismus geschrieben hat - und nicht umsonst schon 1958 mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet wurde: 

"Feministinnen sind Frauen, die dem Mann nicht vorspielen, daß sie auf eine Enträtselung durch den Mann warten."

Falls Sie es lieber politisch ausdrücken möchten, zitieren sie den Sozialphilosophen Charles Fourier (1772-1837): 

"Der soziale Fortschritt (...) erfolgt aufgrund der Fortschritte in der Befreiung der Frau."

Dem ungarischen Autoren Miklós Hernádi wird folgendes Zitat nachgesagt, das nur auf den ersten Blick versöhnlich wirkt: 

"Feminismus war nichts anderes als die Fortsetzung des Flirts mit anderen Mitteln."

Zitieren Sie also einfach mal eine Frau, zum Beispiel Schauspielerin Geena Davis (Jahrgang 1956):  

"Feministin zu sein bedeutet nichts anderes, als nicht zu glauben, dass Frauen Menschen zweiter Klasse sind."

Dass eine Frau wie Simone de Beauvoir (1908-1986, im Bild) für ein Zitat wie "Man wird nicht als Frau geboren, man wird es" ("On ne naît pas femme, on le devient") in den fünfziger Jahren selbst unter Feministinnen noch stark kritisiert wurde, zeigt, dass man es auch als Feministin unter Feministinnen nicht immer leicht hat. Vielleicht spendet das Trost.

In diesem Sinne: Bis nächsten Donnerstag!

© sueddeutsche.de/rus
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