Angeben für Anfänger:Der Hai, Society!

Günter Wallraff will wieder investigativ recherchieren, diesmal in der High Society - verkündete er leider in einem Interview. Lernen Sie mitzureden über: Undercover-Aktionen.

Ruth Schneeberger

4 Bilder

60 Jahre Bundesrepublik - Wallraff

Quelle: dpa

1 / 4

Günter Wallraff will wieder investigativ recherchieren, diesmal in der High Society - verkündete er leider in einem Interview. Lernen Sie mitzureden über: Undercover-Aktionen.

Was ist das?

Der einzig wahre Undercover-Agent Deutschlands ist natürlich unser aller Günter Wallraff.

Mögen verdeckte Ermittler sich durchs Rotlichtmilieu mauscheln oder Brad Pitt entdecken, dass Angelina Jolie insgeheim dasselbe Beamtenleben führt wie er selbst - nur Günter Wallraff schafft es im wahren Leben, dass Kollegen ihn für den Hans von der Bild-Zeitung, für den netten Callcenter-Agenten von nebenan, für den freundlichen Waffenunterhändler unter Franz Josef Strauß, für den misshandelten griechischen Demonstranten oder für den Ali von McDonald's halten - und danach wie wild seine Bücher kaufen, um sich über ihre eigenen prekären Lebensumstände zu informieren.

In skandinavischen Wörterbüchern wurde ihm mit dem Begriff "Wallraffen" (für verdeckte Recherche) ein verdientes Denkmal gesetzt. Zahlreiche Arbeitgeber, Staatsanwälte und allen voran die Bild-Zeitung haben jahrezehntelang versucht, ihm den Prozess zu machen. Wallraff ging stets als Sieger hervor. Ein Vorbild für jeden Investigativ-Journalisten, möchte man meinen.

Leider aber scheint der Gute nun doch ein wenig nachzulassen. Schon im Oktober 2009 schockierte er die Öffentlichkeit mit einem Kinofilm: Für Schwarz auf Weiß ließ er sich von einer Maskenbildnerin schwarze Farbe ins Gesicht malen, eine Afro-Perücke aufsetzen und in buntbedruckte Gewänder hüllen, um einen somalischen Flüchtling darzustellen. Leider sah er damit aus wie Günter Wallraff, der sich als Schwarzer verkleidet.

Und nun das: In einem ausführlichen Interview mit der Rhein-Zeitung plauderte der 68-Jährige am Dienstag über sein neues Projekt. Er wolle sich demnächst im High-Society-Bereich versuchen: "Dort unterzutauchen, ist für mich auch leichter. Denn da erwartet mich mit Sicherheit niemand."

Das stimmt natürlich. Vor allem, seitdem das nun jeder weiß. Zumindest jeder, der die eilig verbreiteten Pressemeldungen oder dessen Butler die Zeitung gelesen hat.

Vielleicht will sich Deutschlands berühmtester Undercover-Ermittler in Wirklichkeit aber auch zur Ruhe setzen, und den oberen Zehntausend nur einen Schrecken einjagen. Man stelle sich vor, wie Blankenese, Grünwald und Düsseldorf-Oberkassel nun anständig zittert, bis das Buch erscheint: Wir da oben. Und es kommt einfach nicht. Womöglich also ein besonders perfider Wallraff-Schlag, für den er sich nicht mal verkleiden müsste.

Text und Bildauswahl: Ruth Schneeberger/sueddeutsche.de/bgr

Seen.by - Andreas Gerhardt

Quelle: Andreas Gerhardt/www.seenby.de

2 / 4

So machen Sie sich lächerlich:

Wenn Sie selbst also in Wallraffs Fußstapfen treten möchten, verkleiden Sie sich nicht. Passen Sie sich bloß nicht der Umgebung an, in die Sie abtauchen. Das macht nur verdächtig. Wallraff selbst hat seine Technik ja nun schon so weit perfektioniert, dass die bloße Ankündigung, er werde sich einschleichen, über Jahre hinweg für Verunsicherung sorgen wird, ob der Schweizer Bankberater seine servile Ader nicht nur vortäuscht und in Wirklichkeit jedes Gespräch mit der Kuli-Kamera aufzeichnet.

DER PFUNDSKERL

Quelle: Sat 1/Sawhney

3 / 4

So schinden Sie Eindruck: 

Seien Sie besonders auffällig - und niemand wird Ihnen glauben, dass Sie undercover sind. So wie Ottfried Fischer in der Serie Der Pfundskerl als Lokalreporter Gottfried Engel: Im Jahr 2000 führte ihn die Folge "In bester Gesellschaft" in das fiktive Edel-Bordell "Regine", wo er sich als Barkeeper ausgab, um verdeckt zu recherchieren. Die Damen des Etablissements, so lautete die damalige Pressemitteilung zum Foto, "waren ganz begeistert von ihm ...".

Weniger begeistert zeigte sich Fischer im Sommer 2009 von zwei echten Prostituierten, die ihm 32.000 Euro aus der Tasche gezogen hätten, indem sie ihm seine Kreditkarten entwendet hätten. Die beiden Damen, die sich nicht als Prostituierte, sondern als "Freundinnen" ihm an den Hals geworfen hätten, hätten vermutlich gedacht: "Der unternimmt nie etwas, dazu hat er viel zu viel Angst vor der Presse. Ich möchte gerne wissen, wie viele Promis es ebenso erwischt hat und die aus einer erpresserischen Angst heraus ihr Geld diesen Bestien geopfert haben", zitierte ihn - wiederum - die Bild-Zeitung.

Das muss man aber auch erst mal schaffen, als Undercover-Prostituierte zu arbeiten.

-

Quelle: AP

4 / 4

Zitieren Sie: 

Sandra Bullock als FBI-Agentin bei einer Miss-Wahl in dem Film Miss Undercover (2000): 

"People may care about people who care about themselves, but I just don't care about those people."

Und natürlich den SPD-Politiker und deutschen Industriellen Philip Rosenthal (1916 -2001), der sich das Streben nach sozialer Gerechtigkeit im Zusammenwirken von Unternehmen und Mitarbeitern auf die Fahnen geschrieben hatte:

"Wer glaubt, etwas zu sein, hat aufgehört, etwas zu werden."

In diesem Sinne: Bis nächsten Donnerstag! 

© sueddeutsche.de/rus
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: