Günter Wallraff will wieder investigativ recherchieren, diesmal in der High Society - verkündete er leider in einem Interview. Lernen Sie mitzureden über: Undercover-Aktionen.
Was ist das?
Der einzig wahre Undercover-Agent Deutschlands ist natürlich unser aller Günter Wallraff.
Mögen verdeckte Ermittler sich durchs Rotlichtmilieu mauscheln oder Brad Pitt entdecken, dass Angelina Jolie insgeheim dasselbe Beamtenleben führt wie er selbst - nur Günter Wallraff schafft es im wahren Leben, dass Kollegen ihn für den Hans von der Bild-Zeitung, für den netten Callcenter-Agenten von nebenan, für den freundlichen Waffenunterhändler unter Franz Josef Strauß, für den misshandelten griechischen Demonstranten oder für den Ali von McDonald's halten - und danach wie wild seine Bücher kaufen, um sich über ihre eigenen prekären Lebensumstände zu informieren.
In skandinavischen Wörterbüchern wurde ihm mit dem Begriff "Wallraffen" (für verdeckte Recherche) ein verdientes Denkmal gesetzt. Zahlreiche Arbeitgeber, Staatsanwälte und allen voran die Bild-Zeitung haben jahrezehntelang versucht, ihm den Prozess zu machen. Wallraff ging stets als Sieger hervor. Ein Vorbild für jeden Investigativ-Journalisten, möchte man meinen.
Leider aber scheint der Gute nun doch ein wenig nachzulassen. Schon im Oktober 2009 schockierte er die Öffentlichkeit mit einem Kinofilm: Für Schwarz auf Weiß ließ er sich von einer Maskenbildnerin schwarze Farbe ins Gesicht malen, eine Afro-Perücke aufsetzen und in buntbedruckte Gewänder hüllen, um einen somalischen Flüchtling darzustellen. Leider sah er damit aus wie Günter Wallraff, der sich als Schwarzer verkleidet.
Und nun das: In einem ausführlichen Interview mit der Rhein-Zeitung plauderte der 68-Jährige am Dienstag über sein neues Projekt. Er wolle sich demnächst im High-Society-Bereich versuchen: "Dort unterzutauchen, ist für mich auch leichter. Denn da erwartet mich mit Sicherheit niemand."
Das stimmt natürlich. Vor allem, seitdem das nun jeder weiß. Zumindest jeder, der die eilig verbreiteten Pressemeldungen oder dessen Butler die Zeitung gelesen hat.
Vielleicht will sich Deutschlands berühmtester Undercover-Ermittler in Wirklichkeit aber auch zur Ruhe setzen, und den oberen Zehntausend nur einen Schrecken einjagen. Man stelle sich vor, wie Blankenese, Grünwald und Düsseldorf-Oberkassel nun anständig zittert, bis das Buch erscheint: Wir da oben. Und es kommt einfach nicht. Womöglich also ein besonders perfider Wallraff-Schlag, für den er sich nicht mal verkleiden müsste.
Text und Bildauswahl: Ruth Schneeberger/sueddeutsche.de/bgr