Ang Lee:Heißer Oscar-Favorit durch schwule Leinwand-Cowboys

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Er hat geheult, als er die Kurzgeschichte "Brokeback Mountain" von Annie E. Proulx las, über die zwei Cowboys, die sich in den Monaten, da sie in den Bergen von Wyoming eine Schafherde bewachen, ineinander vergucken.

Fritz Göttler

Und dann, als sie zurückmüssen in die Zivilisation, es versäumen, die richtige Entscheidung zu treffen - sich zu ihrer Liebe zu bekennen und die Folgen auf sich zu nehmen, die diese Liebe in den Sechzigern in Amerika bedeutete.

Ang Lee mit einem der vier Golden Globes, die "Brokeback Mountain" gewonnen hat. (Foto: Foto: ap)

Ang Lee hat dann wieder Tränen in den Augen gehabt, als er das fertige Drehbuch las, von Larry McMurtry, der die schönsten Epen von der Wiedergeburt der Nation schrieb, und Diana Ossana, als er in aller Ausführlichkeit mit dem Leid der beiden Jungen konfrontiert wurde, den Jahren erzwungenen Schweigens, der Hilflosigkeit und Ohnmacht, denen sie in ihren Ehen ausgeliefert waren, den kostbaren Tagen, die sie jedes Jahr im Zusammensein erlebten, zurück auf dem Brokeback Mountain.

Ang Lee hat einen bewegenden Film aus diesem Drehbuch gemacht, der auf dem Filmfestival in Venedig gefeiert und mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde, der seit Wochen in Amerika vom Publikum heiß geliebt und von Kirche und konservativen Kreisen misstrauisch beäugt wird, der nun gestern bei der Verleihung der Golden Globes erfolgreich war, unter anderem als bestes Filmdrama, für Regie und Drehbuch, und damit als einer der ganz großen Favoriten für die Oscarnacht im März gilt.

Familie wichtiges Thema

Schon einmal hat Ang Lee eine überaus erfolgreiche Schwulengeschichte gedreht, "The Wedding Banquet", 1993, über einen Jungen aus Taiwan, der in New York mit seinem Freund lebt und eine Scheinehe arrangieren muss, als sich plötzlich seine Eltern zu Besuch anmelden.

Familie spielt eine wichtige Rolle bei Ang Lee, der seine Heimat Taiwan verließ, um in den USA Film zu studieren. 1995 kam der Durchbruch mit der Jane-Austen-Verfilmung "Sinn und Sinnlichkeit", fünf Jahre später dann, wie ein Donnerschlag, der geniale Martial-Arts-Film "Tiger & Dragon", die Verwirklichung eines Jugendtraums, mit unglaublichen Kampfszenen.

Shooting Star aus Taiwan

Innerhalb von wenigen Jahren ist Ang Lee, Jahrgang 1954, so zu einer der wichtigsten Leute im Weltkino geworden - schneller hat das wohl keiner geschafft. Und dabei hat er vor "Brokeback Mountain" noch einen veritablen Bock geschossen, "Hulk", die aufwendige Verfilmung der legendären Comic-Serie, war eine Katastrophe bei Kritik und Publikum. Auch hier stand eine aufreibende Vater-Sohn-Beziehung im Mittelpunkt.

Ang Lee selbst sieht die Väter eher entspannt: "Ich glaube, der amerikanische Präsident ist, nicht nur innerhalb seiner Nation, sondern weltweit, die ultimative Vaterfigur. Wenn er also versagt, dann ist das, als raubte man den Leuten die Unschuld. Was für ein Verlust an Vertrauen, an Glauben.

Die Chinesen sehen das ein wenig anders - wir verloren unsere Unschuld vor 3000 Jahren. Bei Watergate verstanden wir nicht, warum Nixon zurücktreten musste, warum die Amerikaner so ein Trara machten über einen Präsidenten, der etwas vertuschen wollte. Das machen die eben so. Aber Amerika ist anders, es ist ein so junges Land. Es ist noch so unschuldig."

© SZ vom 18.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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