Amy Winehouse und James Bond:Lizenz zum Tröten

Amy Winehouse singt den neuen Song für James Bond - eine explosivere Begegnung ist kaum vorstellbar. Warum der Agent und die Skandal-Soulrock-Queen so gut zusammen passen.

Tobias Kniebe

Überraschend ist die Nachricht nun wirklich nicht. Diese Frau könnte den nächsten James-Bond-Song singen - das ist so ungefähr der erste Gedanke, der einem beim Hören des Albums "Back to Black" einfällt. Und zwar jedes Mal von Neuem - erst wieder, ungelogen, am Wochenende vor dem Spirituosenregal im Supermarkt.

Viele Amy-Winehouse-Hörer dachten schon das Gleiche und sagten es auch, wie Paul McCartney, der sich als ehemaliger Bond-Sänger ("To Live and Let Die") zu Wort meldete und erklärte, Winehouse solle den Auftrag doch bitteschön bekommen, sie werde sicher einen "wirklich guten Job machen".

Das haben, wenn man der britischen Zeitung Sun glauben darf, inzwischen auch die Bond-Produzenten eingesehen. Winehouse und ihr Produzent Mark Ronson erhalten den Zuschlag für den Titelsong des derzeit im Dreh befindlichen Bondfilms "Quantum of Solace" - und sie sollen sich, wie es heißt, zum Texten und Komponieren bereits in Ronsons Haus zurückgezogen haben.

Auf den ersten Blick mag das wie eine dieser opportunistischen Entscheidungen aussehen, welche die große Historie des Bond-Songs in den vergangenen Jahren schon öfter befleckt haben. Muss man wirklich die Frau nehmen, deren Musik derzeit wie keine andere gehypt und belobigt wird, mit fünf Grammys und unzähligen anderen Preisen und Elogen? Die noch dazu fast täglich in den Klatschspalten vertreten ist, mit allen Arten von Zusammenbrüchen, Drogenexzessen und anderen Akten der Selbstzerstörung?

Die Vermutung, dass eine ziemlich altgewordene Filmfigur hier noch einmal von der Strahl- und Skandalkraft einer absturzgefährdeten jungen Sängerin profitieren will, die ihre offenbar unkontrollierbare Echtheit vor den Augen der Welt ausleben muss, liegt nahe. Und das Gerücht, die Bond-Strategen hätten speziell wegen der aktenkundigen Drogenprobleme lange mit ihrer Entscheidung gerungen, klingt auch nicht gerade überzeugend: So ein Song ist schließlich schnell geschrieben und eingespielt, danach kann Miss Winehouse ja wieder in "Rehab" gehen - oder auch nicht.

Im ehrwürdigen Genre des Bond-Songs gibt es Probleme, seit John Barry, dieser größte und fleißigste aller Bond-Komponisten, seinen Abschied nahm - was nun auch schon zwanzig Jahre her ist. Er schrieb "Goldfinger" und "Diamonds Are Forever" für Shirley Bassey und "Thunderball" für Tom Jones, um nur die glücklichsten Paarungen zu nennen - und seither ist nichts Vergleichbares nachgekommen.

"Goldeneye", geschrieben von den U2-Köpfen Bono und The Edge, versuchte zwar noch Mitte der neunziger Jahre, an Drama und Pathos der alten Zeiten anzuknüpfen, fiel aber ausgerechnet Tina Turner in die gichtigen Hände, die man damals schon gnädig vergessen glaubte. Es folgten Sheryl Crow und Garbage mit hingehauchten Belanglosigkeiten, dann Madonna, die elektronische Folterwerkzeuge brutzeln ließ, und schließlich Chris Cornell, ein angstzerfressener amerikanischer Sinnsucher der Generation X. Da stehen wir nun, weiter entfernt vom Soul der frühen Jahre als je zuvor.

Das kann alles nur schmerzlich enden

Weshalb Amy Winehouse und Mark Ronson bei näherer Betrachtung vielleicht doch die richtige Lösung sind. Ronsons Musik feiert ganz unverblümt eine musikalische Vergangenheit, die von den technoiden Soundbasteleien der Gegenwart noch unberührt ist, und neben unzähligen anderen Einflüssen hört man darin auch immer den britischen Breitwandsound der sechziger Jahre heraus, der mit James Bond um die Welt ging. Warum sollte es nicht gelingen, diese Verbindung nun auch offiziell zu machen, in einem Song, der zugleich altmodisch und hochmodern ist?

Die Stimmgewalt von Amy Winehouse wiederum steht in der englischen Tradition der "Bellower", was mit "Brüller" nicht wirklich korrekt übersetzt wäre - es sind eben Sängerinnen, die so wuchtig wie Shirley Bassey klingen. Winehouses Texte handeln zudem von einer Hingabe an die Männer, die nur Unglück bringt; stets folgen Blues und Einsamkeit. Das ist geradezu die Definition dessen, was Bond-Girls schon immer durchmachen müssen - seit Ursula Andress 1962 aus den Fluten der Karibik stieg. Die besten Bond-Songs werden daher von Frauen gesungen: Klagelieder für einen gefährlichen, aber unvergesslichen Mann, der im Herzen der Geliebten große Zerstörung angerichtet hat - bevor er entschwunden ist auf der Jagd nach dem nächsten Superverbrecher, dem nächsten Martini, dem nächsten Abenteuer.

Amy Winehouse und James Bond, Mitte der Sixties in London, sie mit ihrer Bienenkorbfrisur, er mit dem Lächeln des jungen Sean Connery - eine explosivere Begegnung ist kaum vorstellbar, auch wenn das alles nur schmerzlich enden kann. Einen Song, der nach dem Ende dieser Affäre spielt, den möchte man eigentlich sofort hören.

Und weil Winehouse ihre besten Lieder offenbar immer dann schreibt, wenn ihr Leben gerade komplett in Schmerz und Chaos versinkt, dürfte sie auch in der richtigen Stimmung dafür sein. Einen Rat allerdings gibt ihr der alte Bond-Barde und Texteschmied McCartney dann doch noch mit: Sie solle gar nicht erst probieren, einen passenden Reim auf das Titelwort "Solace" (Trost) zu finden - denn diese Suche sei von vorneherein zum Scheitern verurteilt.

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