Amazon zahlt seitenweise:Page Turner

Amazon hat ein neues Geschäftsmodell für seine Autoren. Es will sie ab Juli nicht mehr nach heruntergeladenen Büchern bezahlen, sondern nach Seiten. Gelesenen Seiten! Dranbleiben, heißt es also für den Leser.

Von Fritz Göttler

Es ist immer noch eins der großen Residuen von Diskretion und Intimität in der modernen technisierten Welt - die Beziehung des Lesers zu dem Buch, das er liest. Die Begegnung verschiedener Persönlichkeiten, Kulturen, Welten. In der Welt der neuen Lesegeräte und der Bücher-Downloads wird auch diese Begegnung überwacht, quantifiziert, dirigiert. So kündigt Amazon nun ein neues Abrechnungsmodell seinen Autoren gegenüber an, ab nächsten Monat sollen diese nicht mehr nach Anzahl der heruntergeladenen und geliehenen Exemplare bezahlt werden, sondern nach der Anzahl der tatsächlich gelesenen Seiten.

Das Verfahren gilt für Kindle Unlimited (KU) und die Kindle Owners' Lending Library (KOLL), und erst mal nur für die "Haus"-Autoren - die im Kindle Direct Publishing (KDP) selbst ihre Bücher publizieren. 3 Millionen Dollar stehen hierfür in diesem Monat zur Verfügung.

Das Verfahren soll für mehr Gerechtigkeit sorgen unter den Autoren. Nicht der einfache Download-Click wird belohnt, sondern die Fähigkeit, den Leser wirklich an den Text zu binden, auch über lange Lesestrecken hinweg. Was eine Seite ist, wird durch den KENPC v1.0 geregelt, den "Kindle Edition Normalized Page Count", der unbestechlich - durch Schriftart und -größe oder Durchschuss - misst, wieviel Masse ein Autor zu bieten hat. Außerdem müssen die Leser eine angemessene Zeit auf einer Seite verweilen, die es wahrscheinlich macht, dass sie wirklich gelesen haben. Keine Regel ohne den sofortigen Versuch, sie zu umgehen.

Die Intentionen sind also wahrlich generös, und ein weiterer Schritt zum normierten Lesen ist getan. Amazon schaut uns immer neugieriger beim Lesen über die Schulter.

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