Amazon:Ihr könnt nur Bücher

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Erst hat der Online-Versandhändler den Buchhandel plattgemacht. Jetzt will Amazon eine eigene Buchladen-Kette eröffnen. Warum nur?

Von Bernd Graff

Ja, es stimmt, dass die wildesten Säue, die täglich durch die globalen News-Dörfer getrieben werden, aus dem äußersten Westen der USA kommen. Wenigstens eine pro Tag - und jeden Tag eine andere. Doch ist dieser Westen, anders als etwa eine deutsche Mittelstandslandschaft, ja auch geradezu beängstigend neuigkeitsträchtig. Jetzt drängt der Onlinehändler Amazon, Sitz in Seattle, mal wieder in die Schlagzeilen. Anlass ist die Bemerkung eines Betreibers großer US-Einkaufszentren. Der Internet-Versender plane die Eröffnung einer eigenen Ladenkette. "Wie ich höre", so der Manager, "peilen sie 300 bis 400 Buchläden an."

Amazon betreibt bislang einen einzigen Buchladen, der in Seattle als eine Art Laborversuch unter kontrollierten Bedingungen geführt wird. Jetzt sollen es mehr als 300 werden? In einem Land, in dem der Marktführer Barnes & Noble in all den analogen Jahren gerade mal 640 Läden etablieren konnte? Doch Amazon will ja eben nicht nur die Buchhändler angreifen und so nun endlich für Haptik, für anfassbare Gegenständlichkeit der Buchbestände, sorgen, die dem Onlinegeschäft verwehrt ist. Amazon bewegt sich längst nicht mehr nur auf dem Kulturfeld des Online-Buchhandels, es versteht sich als der "Wir-verkaufen-dir-alles"-Universalist. Entsprechend umfasst sein Sortiment - alles. Damit, und mit enorm niedrigen Preisen und enorm zuverlässiger Logistik, ist Amazon zum weltgrößten Onlinehändler aufgestiegen. Darum ist der Griff zu Maurerkelle und analogem Ziegel durchaus nachvollziehbar: Amazon verstärkt mit den Läden jene Brückenköpfe, über die der eigene Lieferservice die reale Konsumentenwelt mit "allem" erobern und besetzt halten soll.

Es ist kaum zu erwarten, dass in einem Amazon-Buchladen dasselbe Sortiment und dieselben Dienstleistungen angeboten werden wie in denen der klassischen Konkurrenz. Eher wird man dort Amazons Bestseller in verdichteter Form vorfinden, aber auch den realen Ort für reale Reklamationen: eben die ansprechbare Paketstation, ein Wohlfühl-Logistikzentrum. Darum geht es Amazon letzten Endes: Die Ware wird zweitrangig gegenüber ihrem "ease of use", ihrem bequemen Konsum. Amazons Botschaft an die analoge Konkurrenz lautet also: Ihr könnt nur Bücher.

© SZ vom 04.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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