Alte Kunst:Zum Flanieren

Einkauf im Weltkulturerbe: Ein Galerienrundgang bei den Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen, die wie jedes Jahr parallel zu den Bayreuther Festspielen stattfinden.

Von Dorothea Baumer

Brüssel hat es vorgemacht, in Paris und London liebt man es, ganz besonders aber in Bamberg: das Flanieren im Antiquitätenviertel während der Kunst- und Antiquitätenwochen. Wo könnte man es auch angenehmer betreiben als in dieser Stadt, die so reich an historischen Bauten ist, dass der Gedanke an ein Freilichtmuseum aufkommen könnte, wäre da nicht die alltägliche Betriebsamkeit. Bamberg lebt mit seiner Geschichte. Die Stadt ist geteilt in eine obere fürstbischöfliche Domstadt und eine barocke Bürgerstadt zu ihren Füßen, die mit Stolz den Weltkulturerbe-Titel trägt.

Nicht unwesentlich zu ihrem Erhalt beigetragen haben die Antiquitätenhändler, die sich hier so zahlreich angesiedelt haben und seit gut 20 Jahren die Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen als einen festen Termin für die internationale Sammlerwelt verankern konnten. Erstaunlich ist es schon, wie diese Sommermesse ihre Attraktivität über die Jahre bewahren konnte, während ringsum die Alte Kunst auf dem Rückzug ist. Vielleicht gibt es heute nur die zwei Überlebensformen: den Großevent - und das Intimformat, das Bamberg praktiziert.

Die Händler profitieren von den Festspielen in Bayreuth. Jetzt gibt es dort einen eigenen Showroom

Zum Erfolg beigetragen hat natürlich - neben der herausragenden Qualität der Händler - das nahe Bayreuth mit seinen Festspielen. "Das Bayreuther Publikum ist unser Publikum", heißt es übereinstimmend. Die Eröffnungsvorstellung auf dem Grünen Hügel ist denn auch das Startsignal für die Bamberger Händler, die ihre Läden während der Antiquitätenwochen auch am Wochenende öffnen. In diesem Jahr umwirbt man die Festspielgäste sogar erstmals mit einem repräsentativ bestückten Showroom in der Festspielstadt Bayreuth selbst.

Man könnte den Rundgang bei Wenzel beginnen, der ältesten Kunsthandlung Bambergs, die vor gut 60 Jahren vom Vater des jetzigen Eigentümers gegründet wurde und heute in einem barocken Palais residiert. Hier sind die reizvollsten regionalen Spezialitäten ebenso anzutreffen wie große europäische Plastik. Aber auch spätgotische Lüsterweibchen wie ein in seiner Dynamik mitreißender, um 1560 entstandener Erzengel Michael, dessen feine Goldmalerei seine spanische Herkunft verrät, ausgezeichnet mit 48 000 Euro. Königlich ist Wenzels Möbel-Highlight, ein prunkvoller Bibliothekstisch, dessen schwungvolle Einlage aus Elfenbein und Zinn als "Augustus Dux Saxonie Rex Poloniae" zu entziffern, auf seinen ehemaligen Besitzer König August verweist. Bei dieser Provenienz darf er dann auch 95 000 Euro kosten.

Nur wenige Schritte weiter überrascht eine gänzlich andere Szenerie. Schon von den zahlreichen Schaufenstern aus fällt der Blick auf meisterhaft inszenierte Arrangements, auf erlesenes barockes Mobiliar, Tapisserien, Gemälde und Silberleuchter. In einem restaurierten gotischen Stadthaus, über zwei Stockwerke hinweg, unterhält Christian Eduard Franke seine Schauräume. Auf den ersten Blick scheint hier das deutsche und französische 18. Jahrhundert noch immer das Maß aller Dinge zu sein. In jüngster Zeit allerdings rücken zunehmend figürliche Renaissance-Bronzen und Skulpturen des 19. Jahrhunderts ins Blickfeld, die auch einen jüngeren Sammlergeschmack ansprechen. In diesem Sommer übernimmt ein geflügelter Bronze-Amor in glänzend brauner Patina diese Rolle. Er geht auf ein Modell von Laurent Marqueste zurück, wurde um 1900 in Paris gegossen und kostet 38 500 Euro.

Wer buchstäblich noch tiefer ins Thema Skulptur eintauchen möchte, ist bei Kunsthandel Senger richtig. Der Skulpturenkeller ist legendär und beherbergt ganze Heerscharen von Heiligenfiguren. Unter dem gerade einmal halben Dutzend international agierender Spezialisten in Deutschland zählt Senger zu den erfahrensten. Sein derzeit prominentestes, mit 350 000 Euro auch teuerstes Werk, ist ein um 1490/95 in der Ulmer Werkstatt von Michel Erhart entstandener "Schmerzensmann" aus Lindenholz, eine museale Figur von gut eineinhalb Metern Höhe, die sich weitgehend in der originalen Fassung erhalten hat.

Wie die meisten Bamberger Händler ist auch Senger Generalist und in den verschiedensten Sparten zu Hause, woran mit großer Eleganz ein Roentgen-Möbel erinnert, ein Tisch, der statt einer Schublade die Tastatur eines Pianofortes offenbart. Einen Spieltisch ähnlicher Raffinesse, klassizistisch und bei Fiedler in Berlin um 1770 gefertigt, haben auch die jungen Kunsthändler Schmitz-Avila zu bieten, die ihren Laden in einem Palais des Geschlechts Marschalk von Ostheim eröffnet haben. Mehr als alles andere zieht dort jedoch eine mächtige barocke Tierplastik die Blicke auf sich: ein sphinxhaft ruhender afrikanischer Springbock mit eindrucksvollem Gehörn (135 000 Euro).

Zeitlich am weitesten, nämlich in die Vormoderne um 1900, zielt das Angebot Gregor von Seckendorffs, eines weiteren Junggaleristen, der sich mit Elan dem klassischen Antiquitätenhandel verschrieben hat. Einzelstücke aus Barock und Biedermeier kombiniert er gekonnt mit Gemälden des späten 19. Jahrhunderts, etwa skandinavischen Landschaften von Caspar Vockeradt und Georg Rasmussen (11 700 und 12 800 Euro), mit namhaften Bronzen oder auch Lampenskulpturen des Art Déco.

Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen. Bis 19. August www.bamberger-antiquitaeten.de.

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