"Aloha" im Kino:Es ist wirr auf Hawaii

Emma Stone in "Aloha".

Trotz Sommerdress: Emma Stone spielt eine Kampfjetpilotin, die "zu einem Viertel" Hawaiianerin ist. Das brachte ihr und dem Regisseur Rassismus-Vorwürfe ein.

(Foto: Fox)

Cameron Crowe verheddert sich in seiner Komödie "Aloha" ziemlich. Jenseits des Superhelden-Bumbums wird es immer schwerer, kluge Geschichten zu erzählen.

Von David Steinitz

Dies ist eine Filmkritik, und deshalb sollte an dieser Stelle wohl etwas über die Handlung der romantischen Hawaii-Komödie "Aloha" stehen sowie eine Einschätzung, ob sich der Kinobesuch lohnt. Das Problem ist nur: Man kann über diesen Film kaum richtig sagen, ob er gut oder schlecht ist - man kann nicht einmal vernünftig erklären, worum es geht.

Ein sehr attraktives Hollywood-All-Star-Ensemble - Emma Stone, Bradley Cooper, Rachel McAdams, Bill Murray - verheddert sich zwischen Blumenketten und den Themenkomplexen Liebe, Rüstungsindustrie und Weltall.

Alle sind sehr braun gebrannt, und im Hintergrund glitzert knapp zwei Stunden lang verheißungsvoll das Meer. Als Gesamtpaket schwankt dieser Film ständig zwischen einem romantisch-lustigen Liebesreigen à la Billy Wilder - und einem peinlichen Totalreinfall. Was, um Himmels willen, ist da los?

Geschrieben und inszeniert hat "Aloha" der sonst so geniale amerikanische Filmemacher Cameron Crowe, dem hier grundsätzlich mal eine Liebeserklärung gemacht werden muss. Bevor man sich leider damit auseinandersetzen muss, dass sein "Aloha"-Werk exemplarisch für eine ernsthafte Krise des US-Kinos insgesamt steht, das große Schwierigkeiten hat, jenseits des Superhelden-Bumbums noch Geschichten zu erzählen.

Zauberhafte Kinomomente, die direkt in die Filmgeschichte wanderten

Berühmt wurde Crowe durch "Jerry Maguire", "Almost Famous" und "Vanilla Sky" - wilde Geschichten über die Liebe und das Leben, mal im Gewand der Komödie, mal als Musikfilm, mal als Thriller.

Als einer der wichtigsten Regisseure des US-Kinos wurde er für diese Meisterstücke gefeiert. Einer, der scheinbar mühelos legendäre, zauberhafte Kinomomente schaffen konnte, die mehr oder weniger direkt in die Filmgeschichte wanderten.

Zum Beispiel, wie Tom Cruise als überdrehter Sportmanager zu Beginn von "Jerry Maguire" im Großraumbüro vollkommen ausrastet, als er entlassen wird, und mit seinem Bürogoldfisch in einer Plastiktüte das Gebäude verlässt. Oder wie Philip Seymour Hoffman in "Almost Famous" als abgehalfterter Rock'n'Roll-Journalist Lebensweisheiten und Mädchentipps ins Telefon lallt.

Plötzlich blieben die Lobeshymnen aus

Solche wunderbaren Szenen gelingen Crowe auch deshalb, weil er ein genauer Kenner des Kinos und seiner Wirkungsmechanismen ist, der die alten Legenden genauestens studiert hat. Unter anderem schrieb er das kluge Interview-Buch "Hat es Spaß gemacht, Mr. Wilder?", für das er wochenlang mit dem großen, gealterten Billy Wilder, der sein wichtigstes Vorbild ist, über dessen Leinwandtricks sprach.

Nach diesen Jahren des Erfolgs passierte etwas Merkwürdiges: Crowe drehte weiterhin ausgezeichnete Filme, die freche Liebesromanze "Elizabethtown" etwa oder die Familienkomödie "Wir kaufen einen Zoo". Aber plötzlich blieben die Lobeshymnen aus und die Zuschauer immer öfter fern.

Das Kino, das Crowe repräsentiert - klassischer Hollywood-Mittelstand, nicht Independent, nicht Blockbuster -, war plötzlich einfach nicht mehr angesagt.

Stattdessen begann die Superhelden-Epidemie zu grassieren. Die großen Hollywood-Studios verstanden es als sinnvollere Investition, 200 Millionen Dollar in eine Comic-Adaption zu stecken, als ein Drittel davon in ein hübsches Originaldrehbuch.

Wobei die Zuschauergunst ihnen damit bis heute ökonomisch recht gibt. Es gibt deshalb in Amerika nur noch eine kleine Handvoll Filmemacher - neben Crowe zum Beispiel den begnadeten Komödianten Judd Apatow oder den Thrillerspezialisten David Fincher -, die das mittelständische Kino hochhalten und gewillt sind, mit vergleichsweise bescheidenem Budget von etwas anderem zu erzählen als von fliegenden Autos und mutierten Dinosauriern.

Einerseits Wortwitz, andererseits verworren

Das ist insgesamt eine sehr traurige Entwicklung, denn die Filmgeschichte speist sich erfahrungsgemäß vor allem aus klugen Originalstoffen, die am ehesten magische Kinomomente für die Ewigkeit generieren - und es werden im US-Kino immer weniger, von Jahr zu Jahr. Denn selbst ein Blockbuster-affiner Kritiker wie der Verfasser muss sagen: "Fast & Furoius 7" bleibt nicht allzu lange im Gedächtnis.

Umso dankbarer müsste man für einen Cameron-Crowe-Film sein, gerade weil Crowe grundsätzlich recht selten dreht. Nur wirkt es in "Aloha" leider so, als wüsste er mittlerweile selbst nicht mehr so genau, wie er nach den letzten Jahren der Enttäuschung und Missgunst noch gegen das übermächtige Blockbusterkino anerzählen soll.

Auf der einen Seite hat der Film wirklich ein paar sehr hübsche, ganz klassische Crowe-Szenen und Dialoge, mit viel Wortwitz, beseelt von der bittersüßen Melancholie einer klassischen Feelgood-Komödie. Auf der anderen Seite ist die Geschichte, wie gesagt, vollkommen verworren: Bradley Cooper spielt einen Ex-Soldaten, der nun als eine Art militärischer Berater fungiert - für irgendetwas nie genau Erläutertes mit Weltall und Satelliten -, der für eine genauso unverständliche Mission nach Hawaii geschickt wird.

Auch "Aloha" wurde Opfer der von Hackern

Dort gerät er zwischen seine hübsche Ex-Frau (Rachel McAdams) und eine sexy Kampfpilotin (Emma Stone). Stone ist laut Film "zu einem Viertel Hawaiianerin", was Crowe und seiner Crew heftige Rassismusvorwürfe eingebracht hat: Der Film sei "weißgewaschen", sagte eine asiatisch-amerikanische Medienvereinigung. Weiße Hollywood-Stars vor atemberaubender Kulisse, während die echten Hawaiianer ausgeblendet würden.

Crowe und Stone haben sich mittlerweile beide reumütig entschuldigt, obwohl der Vorwurf gegen sie eigentlich nur teilweise richtig ist: Zwar sind die Hauptdarsteller weiß, dafür setzt sich der Film trotzdem ausführlich mit der hawaiianischen Kultur auseinander - was ihn mit all seinen konfusen Handlungsebenen insgesamt aber auch nicht klarer macht.

Und dann wurde vor Filmstart auch noch publik, dass die mittlerweile geschasste Chefin des Sony-Studios und Crowes Produzentin, Amy Pascal, sich ziemlich genervt über den eigenen Film äußerte. So stand es in dem scheinbar unerschöpflichen internen Sony-E-Mail-Fundus, den Hacker im letzten Jahr veröffentlichten. In der Filmbranche war "Aloha" also schon verbrannt, bevor ihn überhaupt jemand gesehen hatte.

Und was machen arme Hollywood-Mittelständler, wenn sie sich in einem künstlerischen Tief befinden und von der Kinobranche ungeliebt fühlen? Richtig, sie wandern ins Fernsehen ab. Für den US-Sender Showtime entwickelt Crowe gerade die Pilotfolge einer Comedy-Serie übers Rockmusik-Business mit dem Titel "Roadies". Das ist einerseits eine gute Nachricht, weil der Ex-Rolling-Stone-Journalist und "Almost Famous"-Regisseur hier wieder sicheres Terrain betritt.

Andererseits würde man sich doch noch viel mehr ein Comeback des wilden Kinoträumers Crowe wünschen, der die große Leinwand früher zu einem magischen Ort machen konnte, mit dem kein Netflix-Anschluss und kein iTunes-Account mithalten können.

Aloha, USA 2015 - Regie, Buch: Cameron Crowe. Kamera: Eric Gautier. Mit: Emma Stone, Rachel McAdams, Bradley Cooper, Bill Murray, Alec Baldwin, Danny McBride. Fox, 105 Minuten.

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