Aldersbach:Rheingold im Klosterteich

Aldersbach: Zünftige Rheintöchter: Andrea Brown, Sabine Noack und Anne Hartmann (von links).

Zünftige Rheintöchter: Andrea Brown, Sabine Noack und Anne Hartmann (von links).

(Foto: Toni Scholz / oh)

Der Sänger Thomas E. Bauer bringt Wagner nach Aldersbach

Von Andreas Meixner, Aldersbach

Es ist wie ein Prolog: Im tiefen Licht der Abendsonne fährt man durch das niederbayerische Idyll nach Aldersbach. Die Landschaft ist weicher gezeichnet als auf der anderen Seite der Donau, wo das Herrschaftsgebiet des knorrigen Bayerischen Walds beginnt. Dort, wo neuerdings ein quadriges Konzerthaus erster Güte in die Mitte von Blaibach gerammt ist. Wie ein Fels in der Brandung steckt es dort und macht eine strukturarme Gegend zur international gefeierten Kulturhochburg. Wer die Aktivitäten von Thomas E. Bauer erleben will, muss oft tief in die Provinz des Bayerwalds fahren. Kloster Aldersbach liegt etwas besser. An der Klostermauer entlang pilgern die Besucher zur Aufführung. Der Begriff "Seebühne" ist übrigens eine charmante Übertreibung. Die Bühne steht in einem betonierten Klosterteich, links und rechts strebt Schilf heraus, skizziert das seichte Ufergewässer des Rheins. Alles ist ein wenig kleiner als erwartet. Wagners Oper wird des üblichen Gigantismus beraubt und mutiert zum Kammerspiel vor der Kulisse des Klosters.

Das junge Beethoven Academy Orchester aus Polen unter der Leitung von Andreas Spering sitzt über dem Teich, ist Teil der Inszenierung des schwedischen Animations- und Videokünstlers Lillevan. Dessen Arbeit fällt dezenter aus als erwartet. Seine großflächigen Videoprojektionen konzentrieren sich auf wenige Motive, die in der Erinnerung zur reinen Farbillumination verblassen. Der Einsatz zweier Gabelstapler und eines Korbkrans ist da schon spektakulärer. Ebenso der Auftritt von Alberich (Karsten Mewes) auf dem Motorrad oder der Abgang des Riesen Fafner (Taras Konoshchenko) in einem Unimog. Das ist unterhaltsam und sorgt für lustige Szenen am Rande, etwa, wenn die einheimischen Gabelstaplerfahrer ihre Fahrzeuge im Alltagsmodus rangieren und die beiden Riesen so routiniert in Position bringen, als würden sie eine Palette Aldersbacher Klosterbier auf einen LKW schieben. Aber es passt zu der Hemdsärmeligkeit der Kulturwald-Festspiele, es ist ihr Markenzeichen. Qualität ist es auch.

Und so ist es nicht verwunderlich, dass schon der erste Auftritt der hübschen Rheintöchter gefällt. Andrea Brown, Sabine Noack und Anne Hartmann waten durch den trüben Teich, singen - wie alle anderen auch - unverstärkt, ohne die akustische Hilfe eines Opernhauses, das Orchester im Rücken. Schnell ist auch klar, dass die Tribüne Teil der Aufführung ist. Die Götter steigen durchs Publikum, Wagners Rheingold wird heruntergeholt vom Sockel des Elitären zu einer Oper für alle. So nah an Wotan und Fricka war noch kein Publikum. Die körperliche Leistung eines Wagner-Sängers wird ungefiltert spürbar, wenn sich Thomas E. Bauer zwischen den Stuhlreihen aufbäumt und mit seinem herrlich geführten Bariton Gott Wotan zum Leben erweckt. Markus Schäfer spielt seinen Ratgeber Loge als gewitzten Diplomaten mit heller, mühelos leichter Stimmführung und tänzelt linkisch durch die Szene, immer um den besten Deal bemüht.

Marianne Beate Kielland ist alles andere als eine klassische Fricka, führt elegant ihren strahlenden Sopran durch die Partie und gewinnt schnell die Herzen der Zuhörer. Robust dagegen treten Fafner und Fasolt (Christian Hübner) als raubeinige Gesellen auf, das ist teils deftige Sangeskunst. In einer kleinen Rolle glänzt Malte Müller als devoter Mime im Nibelungenhort neben Karsten Mewes, der seinen Alberich machtgierig und grob gibt, routiniert und mit großer Stimme. Daneben können sich Joachim Höchbauer als Donner, Marie-Luise Dressen als Freia und Thaisen Rusch als Froh gut behaupten, sind erfrischend jugendlich in ihren Rollen. Am Ende wird Ann-Katrin Naidu als mahnende Erda in einer Gondel ins Bild geschoben.

Akustisch schwierig wird es, wenn das Ensemble in verschiedene Richtungen spielt, anderseits werden dann die Grenzen zwischen Bühne und Zuschauerraum eins. Klangzentrum bleibt das Orchester. Es holt unter den Open-Air-Gegebenheiten das Beste herausholt, schöpft immer neue Energie, und musiziert differenziert und spannungsgeladen. Rheingold in Aldersbach ist eine verrückte Idee, kreativ umgesetzt und kraftvoll durchgezogen. Das ist der Kulturwald. Nicht perfekt, aber voller Leidenschaft.

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