Album "Rock or Bust" von AC/DC:Rock, einfach nur Rock

Lesezeit: 3 min

AC/DC verbreiten seit mehr als 40 Jahren puren Rock. Nur die Belegschaft wechselt. (Foto: AP)

Keine Überraschungen auf dem neuen AC/DC-Album "Rock or Bust". Und das ist unbedingt als Pluspunkt zu werten. Genau genommen ist die australische Band die einzige Gruppe der Welt, deren musikalische Beharrlichkeit als künstlerischer Gewinn gefeiert wird.

Von Max Fellmann

Man muss davon ausgehen, dass sich weder die Brüder Young noch Brian Johnson je mit Gertrude Stein beschäftigt haben. Dabei hat die amerikanische Schriftstellerin schon vor fast hundert Jahren notiert, wie das Werk von AC/DC funktioniert: Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose ist eine Rose.

Oder um es in Anlehnung an einen klassischen AC/DC-Song zu sagen: Eine Rosie ist eine Rosie ist eine Rosie ist eine Rosie. Seit Jahrzehnten arbeitet die australische Band konsequent an der Reduktion ihrer Musik. Es geht nicht um Aussagen, es geht nicht um weitere Bedeutungen oder größere Zusammenhänge. Es geht nur um den Rock. Und er soll auf nichts anderes verweisen als auf sich selbst.

Auf dem letzten Album "Black Ice" von 2008 trugen drei Songs das Wort "Rock" im Titel, auf dem neuen Album "Rock Or Bust" sind es vier. Der Titelsong, dazu "Rock the Blues Away", "Got Some Rock & Roll Thunder" und "Rock the House". Gleich im ersten Lied singt Brian Johnson: "We be a guitar band / We play across the land / Shootin' out tonight / Gonna keep you up alright / You hear the guitar sound / Playin' nice and loud". Wir sind eine Gitarrenband. Und ihr hört die Gitarre. Schön laut. Das muss genügen. Das Albumcover zeigt einen Lautsprecher.

Natürlich, die Hits von AC/DC hießen vor 30 Jahren schon "Rock'n'Roll Damnation", "Let There Be Rock", "For Those About to Rock" und so weiter. Aber spätestens jetzt geht es endgültig um gar nichts anderes mehr. Was besungen wird, ist der Moment. Es wird hier und jetzt gerockt. Und weil gerade gerockt wird, rocken wir. Und weil wir rocken, rockt es. Ich rocke, du rockst, er sie es rockt.

Das Muster: Gitarrenriff, Gesang, Refrain, Feuer aus allen Rohren

Das gilt nicht nur für die Texte, sondern erst recht für die Musik. AC/DC waren nie eine variantenreiche Band, aber in früheren Jahrzehnten gab es auch langsame Lieder ("Ride On"), sehr schnelle ("Beating Around The Bush") oder amüsant zickige ("Big Balls"). In den vergangenen zwanzig Jahren haben sich die fünf Männer auf ein solides Mitteltempo eingependelt, genau richtig, um in Fußballstadien von Sydney bis Buenos Aires über die Bühne zu stapfen, genau richtig, um als Fan dabei euphorisch mit dem Kopf zu nicken.

Das Konstruktionsprinzip bleibt immer dasselbe: erst der Gitarrenriff, dann der Gesang, dann beides, gern im Wechsel, Steigerung, Refrain, Feuer aus allen Rohren. Nach zweieinhalb Minuten Gitarrensolo. Herrlich!

Für die Struktur der Musik war vierzig Jahre lang Malcolm zuständig, der ältere der Young-Brüder. Seit einiger Zeit sitzt er zu Hause in Australien in einem Pflegeheim. Demenz. Für ihn sprang Neffe Stevie Young ein, die entscheidende Frage lautet: Merkt man es der Musik an? Die Antwort: im Großen und Ganzen nicht, in Details schon. Die Gitarren spielen öfter einfach das gleiche, wo sie einander früher ergänzten.

Plattenkabinett
:Wenn nur der Fußball nicht wäre

Herbert Grönemeyer verrennt sich hingebungsvoll und ein bisschen peinlich mit einer Hymne auf die deutsche Weltmeister-Elf. Trotzdem: Im goldenen Käfig glänzt keiner wie der größte deutsche Popstar.

Von Sebastian Gierke

Es gibt auf "Rock Or Bust" Momente, in denen sich die Einzelteile nicht ganz so schlüssig ineinander fügen. Da fremdeln Gitarre und Gesang kurz, da springt eine Strophe ein kleines bisschen zu plötzlich in den Refrain. Fällt aber kaum ins Gewicht, weil spätestens nach dem nächsten Refrain Angus Young genau das Pentatonik-Solo runterbrennt, das man hören will.

Die Produktion ist etwas glatt geraten. Brendan O'Brien, der von Aerosmith bis zu den Red Hot Chili Peppers schon jede zweite Riesenband betreut hat, bügelt manches zurecht, was roher hätte stehenbleiben dürfen. Auf den frühen AC/DC-Alben ist gerade das Unfertige, im Blues Verwurzelte oft am beeindruckendsten. Für Ausgleich sorgt Brian Johnsons Stimme. Der Mann ist 67 Jahre alt und kann immer noch rätselhaft hoch kreischen.

Merkt man es der Musik an, dass für "Rock Or Bust" der Neffe Stevie Young (rechts) für Onkel Malcolm eingesprungen ist? Im Großen und Ganzen nicht. (Foto: James Minchin/Sony Music)

Aber jetzt, nach ganzen Lastwagenladungen von Zigaretten, lässt er gelegentlich auch seine fiese, rasplige Altmännerstimme raus. Er brummt, er lacht ein schmutziges Lachen zwischen zwei Riffs, er knurrt sich durch den Song "Hard Times". Dass AC/DC jemals ein Unplugged-Album aufnehmen könnten, war immer der größte denkbare Unsinn - aber jetzt, dank der Stimme von Brian Johnson, könnte man es sich fast vorstellen.

Die Songs auf "Rock Or Bust" sind durchwegs ordentliche AC/DC-Ware, keine dramatischen Durchhänger, keine Ausreißer nach oben. Wenn man nicht plump sagen will, dass AC/DC-Songs eben nach AC/DC klingen, bleibt einem nur, die gelegentlichen Duftnoten zu benennen: "Miss Adventure" hat einen Refrain mit hohen Chören, den man Van Halen zuordnen könnte.

Zehn Songs - und jeder davon heißt Rock

"Rock the Blues Away" ist eine Dur-lastige Cowboy-Hymne, ein bisschen das Terrain von John Fogerty. "Rock the House" klingt zwanzig Sekunden lang verblüffend genau nach Led Zeppelin, wasserfallartige Bluesläufe, dazwischen Breaks mit dünnem Gesang.

Der Rest: reiner, reduzierter AC/DC-Rock. Keine Überraschungen. Und das ist unbedingt als Pluspunkt zu werten. AC/DC ist tatsächlich die einzige Band der Welt, bei der stumpfe Wiederholung als künstlerischer Gewinn gilt. Niemand würde je fordern, die Band müsste etwas Neues wagen. Beharrlichkeit als Prinzip, man fühlt sich fast an den späten Thomas Bernhard erinnert - hätte dem je einer angekreidet, dass er immer dieselben Tiraden absondert?

AC/DC rocken. Sie haben immer gerockt. Sie werden immer rocken. Sollten die Musiker in zehn Jahren noch in der Lage sein, ein letztes Album aufzunehmen, dann wäre der Traum: Es heißt "Rock". Darauf befinden sich zehn Songs. Und jeder von ihnen heißt ebenfalls "Rock".

© SZ vom 28.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: