Afghanistan:Sie wollen ein Exempel statuieren

Ausstellung 'Steve McCurry. Überwältigt vom Leben'

Steve McCurry fotografierte Sharbat Gula als Mädchen und als Frau.

(Foto: dpa)

Der Fotograf Steve McCurry über die Verhaftung der Afghanin Sharbat Gula, die als Mädchen mit den grünen Augen weltberühmt wurde.

Interview von Moritz Geier

Sie war ein Flüchtling damals, nur eine von vielen, und trotzdem weltberühmt. 32 Jahre ist es her, dass der amerikanische Fotograf Steve McCurry das afghanische Mädchen Sharbat Gula für die Zeitschrift National Geographic fotografierte. Das Bild der 12-Jährigen mit den grünen Augen wurde zum Symbol für das Leid eines ganzen Volkes. Im Krieg Anfang der achtziger Jahre hatten sowjetische Kampfflugzeuge Sharbat Gulas Dorf zerstört und ihre Eltern getötet, Gula floh nach Pakistan. In dieser Woche nun berichteten pakistanische Medien, sie sei verhaftet worden, weil sie einen gefälschten Ausweis bei sich getragen habe. Ihr drohe die Ausweisung oder eine lange Gefängnisstrafe. Auf Instagram meldete sich der Fotograf Steve McCurry zu Wort. Er bezeichnete die Festnahme als "ungeheuerliche Verletzung ihrer Menschenrechte". Im Gespräch beschreibt er, welche Rolle das Foto von damals für Sharbat Gulas Schicksal heute spielt.

SZ: Herr McCurry, Sie haben versprochen, Sharbat Gula zu helfen. Wie?

Steve McCurry: Ich bin bereit, alles zu tun, was mir möglich ist. Jemand, der verhaftet und eines Verbrechens beschuldigt wird, braucht jemanden, der ihn verteidigt, deshalb werden wir ihr einen bedeutenden Menschenrechtsanwalt besorgen. Wir wollen ihr auf so vielen diplomatischen Wegen wie möglich helfen.

Stehen Sie in Kontakt mit ihr?

Nein, ich habe keine Möglichkeit, mit ihr zu sprechen. Ich spreche zudem kein Paschtu, sie kein Englisch. Aber ich kenne Leute dort, die ihr jetzt helfen werden. Ich selbst habe immer wieder Kontakt zu ihr gehabt in den letzten Jahren, habe ihr immer geholfen. Deswegen bin ich schockiert. Die pakistanischen Behörden behandeln sie wie eine Verbrecherin, demütigen sie, diffamieren sie, drohen ihr mit einer jahrelangen Gefängnisstrafe. So behandelt man keinen Menschen.

Sie soll einen gefälschten Pass bei sich gehabt haben.

Verzweifelte Menschen tun verzweifelte Dinge. Wer so viel Leid erlitten hat, muss alles Mögliche tun, um zu überleben. Sie hat Kinder, für die sie sorgen muss. Die Behörden berücksichtigen all das ganz offensichtlich nicht. Hier fehlt das Mitgefühl für jemanden, der Flüchtling und Waisenkind ist. Also für jemanden, der ein schwieriges und tragisches Leben hat.

Sie haben Sharbat Gula vor 14 Jahren nach langer Suche gefunden und noch einmal fotografiert. Wissen Sie, wie es ihr danach erging?

Sie war am Leben, das war die beste Nachricht. Sie ist verheiratet, hat mehrere Kinder. Das Leben für Afghanen insgesamt ist schwer, die Situation ist seit Jahrzehnten furchtbar.

In Pakistan leben bis zu drei Millionen afghanische Flüchtlinge. Die pakistanische Regierung verschärfte in diesem Jahr ihre Bemühungen, die Flüchtlinge auszuweisen. Spielt in diesem Fall auch Gulas Prominenz eine Rolle?

Ganz sicher. Sie wird ja von den pakistanischen Behörden bewusst herausgegriffen und öffentlich an den Pranger gestellt wie eine Schwerverbrecherin. Ich meine: Soll das ein Scherz sein? Sharbat Gula ist ein Symbol, sie ist seit Jahrzehnten das Gesicht der afghanischen Flüchtlinge, und jetzt versuchen die Behörden, sie zum Gesicht der unerwünschten Flüchtlinge im Land zu machen, ja, zum Gesicht der unerwünschten Flüchtlinge auf der ganzen Welt? Sie wollen ein Exempel an ihr statuieren.

Inwiefern?

Der Vorfall zeigt die Einstellung Pakistans zu seinen afghanischen Flüchtlingen. Viele Pakistanis haben genug, sie verachten sie und wollen sie loswerden. Sie tun alles dafür, um diese Menschen zu zwingen, das Land zu verlassen.

Was wird mit Sharbat Gula geschehen?

Ich habe keine Ahnung, was sie mit ihr machen wollen. Vielleicht werden sie sie einsperren, jahrelang.

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