"Ghost in the Shell" im Kino:Erotische Tagträumerei aus den Schreibstuben Hollywoods

Roboter, Aliens und Maschinenwesen nehmen im Kino ständig die Gestalt der Schauspielerin Scarlett Johansson an. Diesmal: Cyborg-Polizistin Major in der Manga-Verfilmung "Ghost in the Shell".

Filmkritik von David Steinitz

In den Schreibstuben von Hollywood scheinen die Männer alle derselben erotischen Tagträumerei nachzuhängen. Anders ist es kaum zu erklären, dass in den letzten Jahren Roboter, Aliens und Maschinenwesen im Kino ständig die Gestalt der Schauspielerin Scarlett Johansson annehmen. Die 32-Jährige ist zur Standardhülle für Figuren geworden, die früher mit glubschäugigen Pappmascheemonstern besetzt wurden. Sie spielte eine Außerirdische in "Under the Skin", eine künstliche Intelligenz in "Her" und ein transzendentales Überwesen in "Lucy". Weshalb der Regisseur Rupert Sanders vermutlich nicht lange nachdenken musste, mit wem er am besten die Roboterpolizistin Major in seinem Actionfilm "Ghost in the Shell" besetzen sollte.

Die Geschichte beruht auf dem gleichnamigen japanischen Kult-Manga von 1989, der in der Zukunft spielt. Dort ist es möglich, echte menschliche Gehirne in künstliche Körper einzubauen, und die Polizistin Major ist das erste erfolgreiche Pilotprojekt dieser Technik. Sie soll eine neue Form von Terroristen jagen, denen es gelungen ist, sich in die menschliche Psyche zu hacken. Der Comic wurde bereits mehrfach als Animationsfilm adaptiert, am erfolgreichsten war die Trickversion von Mamoru Oshii aus dem Jahr 1995.

"Ghost in the Shell" löste im Netz eine "Whitewashing"-Debatte aus

Der Film setzte Standards fürs Science-Fiction-Kino, ein Rausch der Bilder, war aber auch eine böse Philosophielehrstunde über Technikmoral und Machtstrukturen in der vernetzten Gesellschaft. In Hollywood hat der Film viele Fans, Steven Spielberg, James Cameron und die Wachowski-Geschwister lieben "Ghost in the Shell" und haben sich für ihre Sci-Fi-Filme schon fleißig bei der Ästhetik dieser düsteren Comic-Welt bedient. So war es nur eine Frage der Zeit, bis die erste Realfilmversion des Klassikers aus Amerika folgen würde.

Und die ist zunächst einmal sehr bunt besetzt. In den Nebenrollen spielen Juliette Binoche, Pilou Asbæk und Takeshi Kitano, was dem internationalen Geist der Vorlage zumindest ein bisschen gerecht wird, auch wenn die asiatische Hauptfigur durch eine weiße Amerikanerin ersetzt wurde. Das löste im Netz eine "Whitewashing"-Debatte aus.

Aber das Hauptproblem an der Interpretation von Rupert Sanders, der zuletzt den Märchen-Blockbuster "Snow White and the Huntsman" gemacht hat, ist vor allem, dass er der Filmversion aus den Neunzigern zu treu bleibt. Und zwar inklusive ganzer Kameraeinstellungen, wenn sich zum Beispiel der Scarlett-Roboter im engen Dress von einem Hochhausdach in die glitzernde Großstadtschlucht stürzt und die Kamera hinterherfällt.

Das wirkt im Ergebnis wie ein künstlerischer Salto rückwärts, weil Ästhetik und Handlungselemente des Animationsfilms bereits in Hollywoodfilmen von "The Matrix" bis "Avatar" auftauchen, und nun ausgerechnet die Neufassung des Originals wie eine Kopie aussieht.

Ghost in the Shell, USA 2017 - Regie: Rupert Sanders. Buch: Jamie Moss, William Wheeler. Kamera: Jess Hall. Mit: Scarlett Johansson, Juliette Binoche, Takeshi Kitano, Michael Pitt, Pilou Asbæk, Danusia Samal. Paramount, 120 Minuten.

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