"Ant-Man" im Kino:Zeit zu schrumpfen

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"Eine Frage: Ist es zu spät, den Namen noch zu ändern?" - Paul Rudd als kleiner Gauner, der zum noch kleineren "Ant-Man" mutiert.

(Foto: Disney)

Ich bin ein Ameisen-Mann, und das ist auch gut so: Paul Rudd wird in "Ant-Man" nicht nur zum Superinsekt, sondern auch zum Chefironiker des Marvel-Comic-Kosmos.

Von David Steinitz

Jetzt also tatsächlich: der Ameisen-Mann. Auf ihrem steten Weg zur Kino-Weltherrschaft beginnen die Marvel-Studios, tiefer in ihrem reichen Comic-Archiv zu wühlen und kramen nach den Stars Iron Man, Thor und Captain America nun auch etwas weniger berühmte Protagonisten hervor.

Nun ist es so, dass die Ameise in der Populärkultur seit jeher einen schweren Stand hat. Im Gegensatz zu Hunden, Katzen und Vögeln, die beschrieben und besungen werden, und für die es eigene Casting-Agenturen gibt, fristet sie ein bitteres Schattendasein.

Warum also wollen die klugen Köpfe bei Marvel, die mit ihren letzten zwölf Kinofilmen immer direkt auf Platz eins der US-Charts gestürmt sind, ausgerechnet diesem Gliederfüßer zu einem neuen Selbstbewusstsein im Showbusiness verhelfen? Denn, um mal ganz schnöde ökonomisch zu denken: Myrmekologen, also Ameisenforscher, sind bestimmt nette Menschen, reichen aber als Zielgruppe vermutlich nicht aus, um diesen 130-Millionen-Dollar-Blockbuster zu refinanzieren.

Auch Comic-historisch betrachtet, ist der Ant-Man, der seinen ersten Comic-Auftritt bereits anno 1962 hatte, nicht der klassische Darling der Superheldenfangemeinde.

Der Ameisenheld passt durch jedes Schlüsselloch und ist damit der ideale Voyeurist

Die Antwort, warum es trotzdem die Super-Ameise sein muss, liegt in jenem Schlachtruf begründet, mit dem der originale "Ant-Man" stets seine Verwandlung vom Menschen in eine Ameise anzukündigen pflegte: "Es ist Zeit zu schrumpfen!"

Das ist als Heldenspruch nicht sonderlich cool - gibt aber ganz genau die aktuelle künstlerische Devise des Hauses Marvel wieder. Nach den letzten Action-Orgien in Filmen wie "Captain America 2" und "Avengers 2" ist es quasi unmöglich, die Gigantomanie der pyrotechnischen Entladungen noch weiter zu steigern, ohne dass es bei den Zuschauern zu epileptischen Anfällen kommt. Also sollen sie nun eine lustige Entspannungspause bekommen.

Die Lösung: In quasi antifaustischer Manier geht es nun von der großen in die kleine Welt, natürlich mit dem kleinstmöglichen Helden, dem Ant-Man. Der ist zu Beginn des Films ein kleiner, sympathischer Gauner, der wegen ein paar Einbrüchen im Gefängnis saß, nun entlassen wird und es erst mal ganz ehrlich probieren will: mit einem Job als Verkäufer einer Eiscreme-Kette, von dem er seiner Exfrau Alimente fürs gemeinsame Töchterchen zahlen will.

Als Ironiker zum Superhelden

Paul Rudd, der auch am Drehbuch mitgeschrieben hat und zu den besten US-Comedy-Stars gehört, hat diese Rolle des komischen, liebenswerten Unglücksraben derzeit so gut drauf wie keiner sonst. In den Filmen von Judd Apatow, der mit seinen Komödien wie "Knocked Up" und "This Is 40" den neurotischen amerikanischen Mittelstand filetiert, ist er damit unentbehrlich geworden.

Das ist für die Marvel-Leute natürlich interessant, weil sie im vergangenen Jahr mit ihrem sehr einträglichen Riesenhit "Guardians of the Galaxy" gelernt haben, dass man den Zuschauern eher unbekannte und merkwürdige Comic-Charaktere (ein sprechender Baum!) am besten mit einer ordentlichen Portion Selbstironie und Slapstick kredenzt.

So also wird auch Paul Rudd als Ironiker zum Superhelden. Sein Dasein als rechtschaffener Bürger mag nicht recht funktionieren, er lässt sich wieder auf eine kleine Gaunerei mit seinen Kumpels ein und gerät an einen Wissenschaftler (Michael Douglas), der ihn in ein Kostüm steckt. Darin kann er schrumpfen, ist aber trotzdem superstark und kugelschnell.

Nur: "Ameisen-Mann?", fragt Rudd lakonisch. "Ist es zu spät, den Namen noch zu ändern?"

Bald muss es dann gegen einen Schurken gehen, der einen Ameisen-Konkurrenzanzug gebaut hat, den er für militärische Zwecke höchstbietend verkaufen will.

Das ist natürlich die unendliche Duell-Geschichte des Superhelden-Genres. Deshalb hatte auch der ursprüngliche "Ant-Man"-Regisseur Edgar Wright ("Shaun of the Dead") im Streit mit den Marvel-Leuten über neue künstlerische Freiheiten mitten im Produktionsprozess entnervt das Handtuch geworfen. Aber man merkt, dass auch sein Ersatz Peyton Reed, der vorher ein paar deftige Komödien wie das Jim Carrey-Stück "Der Ja-Sager" gedreht hat, nicht so recht weiß, was er nun aus Wrights Drehbuch machen soll, um einen abwechslungsreichen Superheldenfilm zu inszenieren.

Kleine große Welt

Deshalb klammert er sich inmitten des üblichen Krawumms an die humoristischen Fähigkeiten seines Hauptdarstellers. Und verkleinert mit großer Lust den Panorama-Blick der meisten Blockbuster auf den Mikrokosmos seines Insekten-Helden. Die ersten Geh- beziehungsweise Krabbelversuche seines "Ant-Man" zeigen den frisch Geschrumpften in einer ordinären Badewanne, wo ein Schwall aus dem Wasserhahn für ihn zum lebensgefährlichen Tsunami wird. Auch das elegante Durchqueren von Schlüssellöchern muss dieser für den Voyeurismus prädestinierte Superheld erst mal in einem peinvollen Prozess erlernen.

Ganz im Sinne dieser kleinen großen Welt ist dann auch das Finale des Films. Im Gegensatz zu allen anderen Werken des Marvel-Studios findet es nicht in spektakulären Hochhausschluchten oder auf einer fliegenden Insel oder einem fernen Planeten statt - sondern inmitten der friedlichen Miniaturwelt einer Modelleisenbahn, wo es, zumindest aus der großen Menschenperspektive, nicht laut knallt, sondern eher leise pufft.

Ant-Man, USA 2015 - Regie: Peyton Reed. Buch: Edgar Wright, Joe Cornish, Adam McKay, Paul Rudd. Kamera: Russell Carpenter. Mit: Paul Rudd, Evangeline Lilly, Michael Douglas, Michael Peña. Disney, 117 Minuten.

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