Achitektur:Goldene Box

Achitektur: Das Nobel Center, wie es das Büro Chipperfield entworfen hat.

Das Nobel Center, wie es das Büro Chipperfield entworfen hat.

(Foto: Chipperfield)

Das neue Hauptquartier für die Nobelpreis-Stiftung entzweit Stockholm. Das Architekturbüro Chipperfield plant einen auffallenden Quader.

Von Patrick Illinger

Wenn 1300 geladene Gäste Einlass begehren, so wie am vergangenen Wochenende beim traditionellen Nobelpreis-Bankett in Stockholm, gibt es Gedränge. So kam es zu der bizarren Situation, dass Hunderte Frackträger und abendkleidbewehrte Damen im Schneematsch vor dem alten Rathaus der Stadt ausharrten. Das gab den etwa 300 Demonstranten auf der anderen Straßenseite Gelegenheit, ihre Protestbotschaft kundzutun. Doch nein, es wurde nicht gegen die Dekadenz des Banketts demonstriert, wie manch verunsicherter Gast befürchtete - Millionen Schweden verfolgen die Veranstaltung begeistert im Fernsehen. Der Protest richtete sich gegen das "Nobel Center", einen geplanten Neubau, der an prominenter Stelle auf der Innenstadt-Insel Blasieholmen entstehen soll. Es ist, neutral gesagt, ein auffallender Bau, ein 30 Meter hoher, 60 Meter langer Quader, dessen Fassade aus bronzefarbenen Stahllamellen wie ein überdimensionaler goldener Schrein inmitten der historischen Altstadtkulisse thronen soll.

Strahlkraft oder Protz? Prahlerische Kultstätte oder ein würdiger Hort des Wissens? Die Bevölkerung Stockholms ist über den Siegerentwurf aus dem Berliner Büro des Stararchitekten David Chipperfield tief gespalten. Die Nobel-Stiftung und der Stadtrat sind dafür, viele Intellektuelle, auch Mitglieder der Königlichen Akademie, sowie Carl XVI. Gustaf selbst sind entschieden dagegen.

600 000 Besucher jährlich erhoffen sich die Planer. Der größte Teil der 18 000 Quadratmeter soll für die Öffentlichkeit zugänglich sein, darunter eine Cafeteria, ein Restaurant, Ausstellungs- wie Veranstaltungsräume. Nach der Einweihung (2020 laut jüngster Planung) soll der gut 120 Millionen Euro teure Bau nicht nur das bisherige Nobel-Museum sowie die Nobel-Stiftung beherbergen, sondern auch Platz für die jährliche Verleihungszeremonie bieten. "Auch wenn es etwas religiös klingt: Die jungen Besucher sollen die Botschaft Nobels in die Welt tragen", sagt die Projektleiterin Anna Sjöström Douagi.

Die Gegner kämpfen hingegen leidenschaftlich gegen einen derart markanten Klotz zwischen den klassischen Gebäuden an der Wasserfront. Zudem müsste ein altes, wenngleich baufälliges Zollhaus aus dem Jahr 1876 weichen - zusammen mit einigen gut 100 Jahre alten Holzbarracken, die noch ein wenig Flair des alten Hafens verströmen. Auch wäre ein Umzug der traditionellen Verleihungszeremonie in den Augen von Erling Norrby, lange selbst Mitglied in Nobelpreis-Jurys, ein Frevel. Die festliche Aura des alten Konzertsaals, des bisherigen Verleihungsortes, lasse sich anderswo nicht erhalten, sagt er. So ist bislang nur eines sicher: Es wäre der seltene Fall, in dem ein Preis mit einem Gebäude gewürdigt wird. Statt andersherum.

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