Achenkirch:Gipfel der Genüsse

Matthias Schriefl

Wer hoch steigt, hat den Überblick: Trompeter Matthias Schriefl wird in Achensee zum "artist in residence".

(Foto: Gerhard Richter)

Im Hotel Kronthaler ist an diesem Wochenende wieder "Alpen Jazz" angesagt. Die Münchnerin Stefanie Boltz hat das Programm mit Matthias Schriefl und der Band "Random/Control" zusammengestellt

Von Oliver Hochkeppel

Möglichkeiten erkennen und Potenziale ausschöpfen, diese kreative Seite des Berufs eint Jazzmusiker, Künstleragenten und Festivalmacher. Bestätigen kann das die Münchnerin Stefanie Boltz: Sie macht alle drei Jobs. Als Jazzsängerin ist sie inzwischen bestens in der Szene aufgestellt. Nach den Anfängen als DJane und Studiosängerin, dann als Mitglied der A-Cappella-Gruppen Slixs und The Croonettes sowie im Duo mit dem Jazzgitarristen Philipp Stauber machte sie sich als ausdrucksstarke und multistilistische singende Hälfte von Le Bang Bang an der Seite des Bassisten Sven Faller einen Namen. Das erste unter eigenem Namen firmierende Album "Love, Lakes and Snakes" hat sie 2014 endgültig zur Marke gemacht. Aber auch am für die meisten aufstrebenden Jazzer unfreiwillig notwendigen Selbstmanagement fand Boltz Gefallen. Seit längerem betreut sie mit ihrer Agentur "Fine Artists" auch Kollegen. Das Scouting von Auftrittsmöglichkeiten und möglichen Spielorten gehört dazu. Und so ist Boltz im vergangenen Jahr unter die Festivalmacher gegangen.

Im 2010 neu erstandenen Hotel Kronthaler in Achenkirch stellt sie dreimal im Jahr ein langes Jazz-Wochenende zusammen. Der Hotelier Günther Hlebaina, zunächst mit einem Sport- und Familienhotel am Ort sehr erfolgreich, hatte ein Kulturprogramm von Anfang an mit im Konzept des am Hang direkt neben der Christlum-Talstation residierenden Öko-Nobel-Ressorts - neben den üblichen Zutaten wie opulentem Spa-Bereich, Einkaufsmeile oder Keller-Grotte. Ein Jazzfestival mit offenem Ansatz passte da bestens hinein. Stefanie Boltz begann zunächst klein mit Musikern aus dem eigenen Umfeld und nahm dann immer gezielter andere mit dazu. In diesem Jahr ist sie nun so weit, programmatisch zu arbeiten. "Berlin Jazz" lautete das Motto bei der Frühjahrsausgabe im März. Der soeben mit dem Echo Jazz ausgezeichnete Trompeter, Pianist und Jazz-Kollektivist mit eigenem Label und Festival ("XJazz"), Sebastian Studnitzky, gab dem Thema als "Artist in residence" Gestalt, vom Orchesterprojekt bis zum loungigen Elektronik-Experiment.

An diesem Wochenende nun folgt das vielleicht nächstliegende Motto: "Alpen Jazz". Man muss es freilich auch so pfiffig, schubladenfrei und widerborstig füllen wie Boltz. Ein Musiker wie Matthias Schriefl ist da natürlich bestens geeignet. Der Blechbläser aus dem Allgäu ist seit Jahren das Enfant terrible der deutschen und inzwischen auch europäischen Jazzszene. Zwischen Köln, Berlin und Bozen (wo er seit Jahren zum Inventar des Südtirol-Jazzfestivals gehört) tummelt er sich mit Projekten, die eben so schräg sind wie seine Outfits, zu dem aktuell auch ein Backenbart à la Kaiser Franz Joseph gehört. Er selbst versteht sich als "Musikant", der mit namhaften Jazz-Experimentatoren von Django Bates, Kalle Kalima oder Andy Haderer bis zu Jim Black oder Joachim Kühn ebenso spielt wie mit indischen Musikern, der Soul-Diva Sharon Jones und ihren Dap Kings, der brasilianischen Sängerin Patricia Cruz, der Unterbiberger Hofmusik oder den Duisburger Philharmonikern. Im Kronthaler tritt er in zwei bemerkenswerten Kombinationen auf.

Bereits auf Tourneen erprobt und bestens eingespielt ist seine Verbindung mit dem Damentrio Netnakisum aus der Steiermark. Die Streicherinnen und Sängerinnen Claudia Schwab, Marie-Theres Härtel und Dee Linde gehören zu den Vorzeigebands der österreichischen Neuen Volksmusik und lieben wie Schriefl den eigenwillig-humorvollen und improvisierenden Rundgang durch die Musikgeschichte vom Jodler und Landler über Black Music bis zu den Stones. Noch interessant wird wohl Schriefls Duo mit dem äußerst vielseitigen, aber doch stets jazzigen Tiroler Pianisten, Organisten und Publizisten Christian Wegscheider. Ihr Kronthaler-Programm ist eigens für diesen Auftritt ausgedacht und arrangiert.

Zuvor geht es freilich mit anderen Österreichern los, die auch in München einen guten Namen haben, mit dem Trio Random/Control des Vorarlberger Pianisten David Helbock. Helbock selbst ist bereits ein (unter anderem zwei Mal in Montreux) preisgekrönter Shooting Star der europäischen Szene, seine multiinstrumentalen Begleiter Johannes Bär und Andi Bröger sind vor allem mit der Neuen-Volksmusik-Truppe Holstuonarmusigbigbandclub, kurz HMBC, und deren Hit "Vo Mello bis ge Schoppornou" bekannt geworden. Mit ihrer hochvirtuosen musikalischen Jazz-Achterbahnfahrt durch alle erdenklichen Stile präsentierten sie sich bereits erfolgreich beim BMW Welt Jazz Award - und sind zwei Tage nach dem Auftritt im Kronthaler auch beim Unterföhringer Jazz Weekend zu Gast.

Achensee Jazzfestival: "Alpen Jazz", Freitag bis Sonntag, 17. bis 19. Juli, Hotel Kronthaler, Achenkirch

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