Abschiedskonzert:Gern gehörter Gast

Abschiedskonzert: "Dachau ist wirklich sehr schön", sagt Christina Martin, die den Namen der Stadt zuvor nur als Synonym für die Konzentrationslager der Nazis kannte.

"Dachau ist wirklich sehr schön", sagt Christina Martin, die den Namen der Stadt zuvor nur als Synonym für die Konzentrationslager der Nazis kannte.

(Foto: Lindsay Duncan)

Die kanadische Sängerin Christina Martin hat auf Einladung der Stadt Dachau mehrere Monate in der Ruckteschell-Villa verbracht und viele Inspirationen erfahren

Von Dirk Wagner

Dass die kanadische Sängerin und Songwriterin Christina Martin ihr neues Album "It'll Be Alright" zuerst in Europa statt in ihrer Heimat vorstellt, ist der Stadt Dachau zu danken, die Künstlern aus Übersee anbietet, für eine Weile kostenfrei in der Ruckteschell-Villa zu wohnen. Der stellvertretende Dachauer Bürgermeister Kai Kuehnel hatte dies der Musikerin offeriert, nachdem sie mit ihrem Mann und Produzenten Dale Murray 2012 im Café Gramsci aufgetreten war. "Am Ende des Abends sind wir Freunde", hatte sie damals zum Konzertbeginn versprochen.

Wenn man Christina Martin heute in der griechischen Taverne in der Dachauer Altstadt trifft, bemerkt man sehr schnell an den grüßenden Passanten und der Art, wie sie mit dem Kellner spricht, dass sie jenes Versprechen tatsächlich eingelöst hat. Immerhin wohnt Martin schon zum zweiten Mal für ein halbes Jahr in der Dachgeschosswohnung jener Künstlervilla, in der unter anderem auch die Kunsttherapeutin Sina Weber Kreativ-Workshops anbietet. "Weil wir nie die Tür absperren, passiert das schon mal, dass plötzlich Kinder aus dem Workshop in unserer Wohnung sind", sagt Martin, die vor allem die Gastfreundschaft in Dachau schätzt. "In der Schule wurde Dachau immer als Synonym für das Konzentrationslager genutzt, das die Nazis hier errichtet hatten. So wie wir überhaupt Städte wie München oder Berlin nur im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus kennenlernten."

Doch während man München mit dem Oktoberfest assoziiert, ist Dachau immer noch überschattet von der deutschen Geschichte. Darum kam es schon vor, dass ein Dachauer Künstler sich in seinem Ausstellungsprospekt als "Künstler bei München" titulierte. Kai Kuehnel missfällt solche Scham. Mit dem Wohnstipendium, das er angeregt hatte, möchte er der Welt ein weltoffenes Dachau präsentieren. "Der Wunsch ist natürlich, dass die Gäste in die ganze Welt transportieren, dass die Stadt und die Bürger Dachaus sorgsam mit der Geschichte und der Gedenkstätte umgehen. Dass Dachau aber nicht auf dieses eine Thema zu reduzieren ist, sondern dass es hier auch schön ist. Dass sich hier ein lebendige Szene entwickelt hat", sagt Kuehnel.

Christina Martin stimmt dem sofort zu. Dachau sei wirklich sehr schön. Aber auch die ständige Auseinandersetzung mit der Nazi-Geschichte findet sie bemerkenswert. "Indem man sich hier viel intensiver als andernorts damit beschäftigt, verhindern die Menschen meines Erachtens eine Wiederholung solcher Verbrechen", sagt sie. "Dass eine fremde Künstlerin von einer Stadt so unterstützt wird, habe ich noch nirgends erlebt. Ich wünschte, ich könnte im Gegenzug Dachauer Künstler nach Kanada einladen", sagt sie.

Nächstes Jahr möchte sie wieder in Dachau wohnen, um von hier aus Konzerthallen und Clubs zu bereisen. Dann allerdings auf eigene Kosten: "So kann ich der Stadt vielleicht ein bisschen von dem zurückzahlen, was ich ihr schulde." Am Samstag verabschiedet sich Christina Martin mit einem Konzert im Ludwig-Thoma-Haus, zu dem auch ihre Band aus Kanada anreisen wird.

Christina Martin, Sa., 23. Mai, 20 Uhr, Ludwig-Thoma-Haus, Augsburger Str. 23, Dachau

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