Zum Tod von Jazztrompeter Donald Byrd:Rhythmisches Äquivalent zu Ohrwürmern

Donald Byrd

Donald Byrd

(Foto: Blue Note Records)

Er war ein Gigant des Hard Bop, war in den Top 10 der R'n'B-Charts vertreten und Rapper wie Ice Cube und Nas sampelten seine Stücke. Nun ist der Jazztrompeter Donald Byrd im Alter von 80 Jahren verstorben.

Von Andrian Kreye

In seinem neuen Roman "Telegraph Avenue" benutzt der Schriftsteller Michael Chabon die Musik des am Montag verstorbenen Jazztrompeters Donald Byrd gleich zwei Mal als literarisches Requisit. Zu Beginn des Romans blättert einer der beiden Protagonisten, die in Oakland einen Laden für alte Schallplatten unterhalten, durch einen Stapel Jazzalben, die keine andere Funktion haben, als seine Figur tief in der Hipsterkultur des frühen 21. Jahrhunderts zu verankern. Donald Byrds "Electric Byrd" soll zeigen, dass er sich in der umstrittenen Umbruchphase des Jazz Anfang der Siebzigerjahre besonders gut auskennt. Damals gehörte er nicht mehr zur ersten Garde des Hard Bop, sondern zu den Pionieren des Jazzrock. Für Michael Chabons Hipster symbolisiert die Ambivalenz des kommerziell erfolgreichen Jazzrock vor allem die Heuchelei der Boheme, die trotz ihres Wohlstands den Radical Chic des Gettos romantisiert.

1955, als Byrd 22 Jahre alt war, hatte Art Blakey ihn in diesen engsten Kreis des New Yorker Hard Bop aufgenommen, indem er ihn bei seinen Jazz Messengers zum Nachfolger des legendären Clifford Brown machte. Schon drei Jahre später nahm die Plattenfirma Blue Note Byrd unter Vertrag. Dort machte er dann die fast einzigartige Laufbahn, die damit begann, dass er auf Augenhöhe mit John Coltrane, Eric Dolphy und Sonny Rollins spielen konnte, eine Reihe klassischer Blue-Note-Alben aufnahm, und dabei den jungen Pianisten Herbie Hancock entdeckte. Dann kam die mittlere Phase rund um "Electric Byrd", in der er zunächst Miles Davis in die brachiale Welt des Jazz-Funk folgte.

Doch seine eigentlich wichtigste Phase diskutieren die Protagonisten von "Telegraph Avenue" gegen Ende des Buches, wenn sie sich streiten, in welches der Nischengenres der frühen Siebzigerjahre Byrds Album "Street Lady" gehört. Da hatte er sich schon mit dem Produzententeam Larry und Fonce Mizell zusammengetan. Die brachten ihn dann zwar in die Top 10 der R'n'B-Charts. Allerdings nahm ihm die Jazzgemeinde Radiohits wie "Wind Parade" und "Change (Makes You Wanna Hustle)" nachhaltig übel.

Dabei war es gerader seine Fusionszeit, mit der er eine wirklich eigene Sprache gefunden hatte. Seine Grooves waren das rhythmische Äquivalent zu Ohrwürmern - leichtfüßig treibende Arrangements, die einen beim Zuhören noch heute in ungewollte Wippbewegungen versetzen. Weil Byrds Musik die selbstbewusste Lässigkeit des schwarzen Amerika, die der Aufbruchstimmung der turbulenten Sechzigerjahre folgte, auf den Punkt brachte, entdeckte sie auch bald der Hip-Hop. Rapstars wie Ice Cube, J Dilla und Nas stellten Byrds Grooves in einen neuen Kontext - Byrds Musik ist da immer ein Funken Hoffnung. Auf ebenjene Bürgerlichkeit, die die Hipster so verachten.

Am vergangenen Donnerstag bestätigte Donald Byrds Neffe Alex Bugnon seinen Tod. Er wurde 80 Jahre alt.

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