SZ-Magazin:"Es gibt eine Urangst, die kann ich abrufen"

Niemand fürchtet sich so eindrucksvoll wie sie. Jodie Foster über ihren neuen Psychothriller "Flightplan" und den schrecklichsten Moment ihres Lebens.

Andrian Kreye

SZ Magazin: Das Motiv Angst zieht sich wie ein roter Faden durch Ihre Arbeit ? angefangen bei "Das Schweigen der Lämmer" über "Panic Room" bis zu Ihrem neuen Film "Flightplan - Ohne jede Spur", der die Angst einer Mutter um ihr Kind thematisiert. Diese scheint schlimmer zu sein als die eigene Todesangst.

SZ-Magazin: Foster über ihre Rolle in "Flightplan": "Ursprünglich war sie für einen Mann geschrieben

Foster über ihre Rolle in "Flightplan": "Ursprünglich war sie für einen Mann geschrieben

(Foto: Foto: AP)

Jodie Foster: Viel schlimmer. Überhaupt kein Vergleich. Zumindest für mich. Ich glaube, das ist ein Urinstinkt. Kinder sind wie ein Teil unseres Körpers, der uns aber eigentlich noch wichtiger ist. Wenn ein Kind in Gefahr ist, berührt einen das viel mehr, als wenn man selbst zu Schaden kommt. Wenn man sich zum Beispiel in die Hand schneidet, dann flucht man kurz und holt sich Reinigungsalkohol und Verbandszeug. Aber wenn sich ein Kind in die Hand schneidet?

SZ Magazin: Ja?

Foster: Das ist sehr schwer zu beschreiben, was dann in einem vorgeht. Als einem meiner Söhne die Mandeln herausgenommen wurden, hat der Arzt ihm diese Betäubungsmaske über das Gesicht geschnallt und ihn gefragt, ob er Krieg der Sterne möge und vielleicht Raumfahrer spielen wolle. Mein Sohn war natürlich begeistert und der Arzt wies ihn an, von zehn an rückwärts zu zählen: Bei eins werde er landen. Und mein Sohn sieht den Arzt an und lächelt. Er zählt und dann ist er bei zwei, bei eins, er zählt immer weiter, weil er das ja so machen soll, und plötzlich huscht dieser Ausdruck über sein Gesicht, weil er merkt, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist, voller Angst. Dann sind seine Augen plötzlich zurückgerollt und ich -

SZ Magazin: Sie haben ja Tränen in den Augen.

Foster: Das war, glaube ich, der schlimmste Moment in meinem Leben.

SZ Magazin: Ihr Kind war doch sicher in guten Händen?

Foster: Natürlich. Es war eher diese Hilflosigkeit, mit ansehen zu müssen, wie mein Kind plötzlich merkt, dass es diesem Typen nicht vertrauen kann, der da mit ihm Raumfahrer spielen will. Plötzlich passiert etwas, was nicht in Ordnung ist. Ich stehe daneben, mein Kind verliert wegen der Narkose das Bewusstsein und ich kann gar nichts tun. Die Erinnerung an dieses Gefühl hilft mir zum Beispiel, mir vorzustellen, wie es ist, sein Kind auf dem Flughafen zu verlieren wie in "Flightplan". Das ist einfach ganz schrecklich.

SZ Magazin: Eigentlich wollte ich Sie fragen, wie Sie für Ihren Beruf als Schauspielerin Ihre Ängste anzapfen und wie schwierig es ist, das emotionale Gedächtnis zu aktivieren. Aber das haben Sie ja nun gerade eindrucksvoll demonstriert.

Foster: Ja, es gibt anscheinend so eine Urangst, die kann ich - Sie haben es gerade erlebt - abrufen. Es reicht manchmal schon, das Drehbuch zu lesen, damit sie hochkommt.

SZ Magazin: Wie kommen Sie an Ihre Drehbücher, an das von "Flightplan" zum Beispiel?

Foster: Mein Agent hatte es wie üblich gelesen. Ursprünglich war meine Rolle ja für einen Mann geschrieben, doch ihm gefiel das Drehbuch so gut, dass er vorschlug, das Geschlecht der Hauptrolle für mich zu ändern. Ich habe es dann gelesen und fand, der Film würde sogar gewinnen, wenn die Hauptrolle eine Frau wäre.

SZ Magazin: Weil Frauen empfänglicher sind für Angst?

Foster: Irrationaler vielleicht. An einem Punkt zum Beispiel hat meine Figur, sie heißt Kyle Pratt, schon so einiges durchgemacht, sie ist gerade aufgewacht, sie vermisst ihr Kind und hat sich sogar vorher geprügelt. Sie wird mit Gewalt festgehalten und ihr wird klar gemacht, ihr Kind sei nie an Bord gewesen. Sie habe das alles nur erfunden, weil man in Momenten tiefster Trauer manchmal verdrängt, dass eine andere Person nicht mehr da ist.

Ich glaube, ein Mann würde in einem solchen Moment nie an sich selbst zweifeln. Er würde anderen die Schuld geben. Aber zwischen einer Frau und ihren Kindern gibt es eine derart symbiotische Verbindung, dass eine Mutter sich sehr wohl vorstellen kann, vielleicht verrückt geworden zu sein.

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