"Star Trek: Into Darkness" im Kino:Ihre Erregung soll die unsere sein

Star Trek Into Darkness Benedict Cumberbatch

Benedict Cumberbatch als genmutierter Übermensch.

(Foto: Zade Rosenthal)

Im Herzen der technikbesessenen Geek-Culture herrscht überraschende Zärtlichkeit. Die Akteure in J. J. Abrams' neuem "Star Trek"-Film verlassen sich nicht nur auf ihre Computerkenntnisse - sondern vor allem aufeinander.

Von Philipp Stadelmaier

Captain Kirk rast durchs All. Ein winziger Mensch, geschützt nur durch Helm und Raumanzug, ein düsengetriebener Rocketman vor der schwarzen Unendlichkeit. Um ihn herum driften Weltraumschrott, Fragmente geborstener Technik, träge und schwerelos - er selbst aber ist so schnell, dass er an jedem Hindernis zerschellen würde.

Mit kleinen Energieschüben kann er reagieren, kann möglichen Kollisionen ausweichen, in Millisekunden Reaktionszeit, um dann doch wieder Kurs auf sein Ziel nehmen: die Ladeluke eines feindlichen Raumschiffs, dass er entern will vor der finalen Schlacht.

Aber schafft er das? Kann dieses Level an Schwierigkeit überhaupt jemand schaffen? Früher war es möglich, in der Star Trek-Welt noch gemütlich durchs All zu tuckern und nette Schlafanzüge zu tragen (Schwarz plus die Farbe Ihrer Wahl). Die Zeiten sind vorbei. Seit der Produzent und Regisseur J.J. Abrams übernommen hat, zusammen mit einem Team von Schnellfeuer-Autoren und Technikspezialisten, die zusammen das Ministudio "Bad Robot" bilden, herrscht eine völlig neue Geschwindigkeit. Schon sein Star Trek von 2009 ging zurück in der Zeit, machte Kirk, Spock und all die anderen wieder zu blutjungen Abenteurern, verlegte die Pyjamaparty ins Collegewohnheim - mit viel Speed vor der Playstation.

Junge Zocker an den Konsolen

Into Darkness dreht die Schraube weiter: Bombenattacken erschüttern das irdische Hauptquartier, eine "severe manhunt" auf den Terroristen Khan beginnt, mit dem sich die Enterprise-Crew dann ein rasantes Duell auf dem Subraumhighway liefert.

Kirks Einsatz als Raketenmann erinnert nicht nur daran, dass Videospiele die neue Leitästhetik im Hollywood-Actionkino sind - Abrams geht einen Schritt weiter: Hinter seinem Helmdisplay erkennt man Kirk ebenso als Spieler. Die Geek-Culture hat Einzug bei Star Trek gehalten, die neuen Helden sind junge Technologie-Nerds, Zocker an den Konsolen. In der postkapitalistischen Gesellschaft der Vereinigten Föderation der Planeten sind "work hard" und "play hard" synchronisiert, alle Touchscreens fordern den "digital native" der Zukunft: "I can make it, I can make it", kreischt etwa der siebzehnjährige Enterprise-Offizier Pavel Chekhov im ersten Film, als er auf einem Schirm die Signale zweier Menschen im freien Fall einkreisen will, um sie in letzter Sekunde hochzubeamen. Gibt's das auch als Spiel fürs iPad?

Indem er seine Figuren mit Geek-Schablone zeichnet, vollzieht Abrams jenen für Star Trek essenziellen Brückenschlag: In der rationalistisch wissenschaftlichen Welt der interstellaren Föderation verankert er das Gefühl. Bei einem Shuttleanflug auf die Heimatwelt der Klingonen etwa sitzen Captain Kirk (Chris Pine), Spock (Zachary Quinto) und die schöne Uhura (Zoe Saldana) mit dem Rücken vor den Konsolen wie bei einer Zockerparty, aber auf einmal blüht ein kleines Liebesgerangel zwischen Spock und seiner Freundin Uhura auf: Spock beharrt darauf, kein gefühlskalter Hund zu sein, im Gegenteil ist er geprägt vom Trauma - von der Zerstörung seiner Heimatwelt Vulkan. Den kühlen Logiker Spock zum Weinen zu bringen, diesem Hobby aller Star Trek-Macher widmet sich auch Abrams mit Lust.

Logiker Spock zum Weinen bringen

Der ganz anders harte Hund Kirk wiederum mag hier zwar triebmechanisch mit hübschen androiden Zwillingen ins Bett gehen, die Schwanzfortsätze haben, und über der galaktischen Queerness des 23. Jahrhunderts ihre Namen sofort wieder vergessen - als Kapitän muss er aber bereit sein, sich jederzeit voller Emphase für seine Mannschaft zu opfern. So verletzt er gleich einmal die oberste Direktive, die den Kontakt zu unterentwickelten Völkern verbietet, um seinen Freund Spock zu retten. Damit der wiederum ihn retten kann. Zwischen beiden zirkuliert ein rührendes "You saved my life".

Die Sorge um die Anderen teilt sogar der unzerstörbare, genetisch hochmutierte Terrorist Khan, brillant gespielt von Benedict Cumberbatch: Im Gedanken an seine Mannschaft im Kälteschlaf kommen dem High-End-Piraten die Tränen. Ob vulkanisches Logikgenie, rebellischer Draufgänger oder Übermensch, Abrams Generation verlässt sich auf ihre souveräne Flexibilität in der Computer-Welt - aber vor allem aufeinander.

Nicht nur durch diese Ethik der Freundschaft hält Abrams die Verbindung zum alten Star Trek-Universum: Schon in der letzten Folge hatte ein Unfall im Zeitkontinuum den greisenhaften "Botschafter Spock", gespielt vom Originaldarsteller Leonard Nimoy, zurück aus der Zukunft geholt. Jetzt hilft er, wo er kann - und bereitet die Figuren auf das vor, was sie schon lang nicht mehr sind und nie wieder sein können: Helden einer Fernsehserie aus den Sechzigern.

Amateurkameras und Schlüsselszenen in "Super 8"

Gerade aus dem Geist des Fernsehens, wo er in Serien wie Alias und Lost mit wuchernden Narrationen und Plotüberraschungen experimentiert hatte, konnte Abrams das Franchise-Konzept in Hollywood reformieren, das sich ja selbst aus Serien speist - wie bei seinem Kinodebüt Mission Impossible 3 und nun bei Star Trek. Als Nächstes steht Star Wars auf seiner Liste - und damit wird ihm endgültig das wertvollste Erbe überantwortet. Als könne nur er, dieser lustig bebrillte Musterschüler, den magischen Touch eines George Lucas oder Steven Spielberg in die Zukunft verlängern. Sein Trick: keine narrativen Exzesse wie in den TV-Serien, sondern die Fokussierung der Apparate, die auf Zeit und Raum zugreifen. Schlüsselszenen in "Super 8" und das ganze Narrativ des von Abrams produzierten "Cloverfield" spielten sich etwa vor Amateurkameras ab. Das Kino darf das alte bleiben, wenn es zum Spielzeugparadies der Technik mutiert.

Waren die Bilder der alten Serie noch sehr dem Fetischismus der Fans unterworfen, so erwachen sie nun zu eigenem Leben - wie in der ersten, großartigen Szene von Into Darkness: Da steigt auf einem erdähnlichen Planeten vor einer Bande weißgekalkter Mörtelköpfe, die noch nicht mal das Rad erfunden haben, aus den Fluten des Ozeans die Enterprise auf. Ihre Erregung soll die unsere sein, wenn wir das Raumschiff nun mit einer 3D-Brille nicht mehr einfach nur sehen, sondern den Blick an seinen Körper schmiegen können.

Die Geeks sind dabei unsere Heinzelmännchen: Mit ihrer Liebe zur Technik und ihrer Zärtlichkeit bereiten sie uns darauf vor, per 3D-Brille emotionalen Anschluss ans Bild und an den Strom der Pixel zu finden, damit Sehen und Fühlen eins werden können. Noch ist es nicht so weit, die 3D-Technik hakt noch - auf die irrsinnige Sensation, nicht mehr nur vor, sondern in den technischen Wundern von Star Trek zu sein, müssen wir wohl noch etwas warten. Am Ende bricht die Enterprise zu einer fünfjährigen Mission auf, und so lange wird wahrscheinlich auch Abrams bis zum nächsten Film brauchen. Wenn er nicht gleich ganz im Paralleluniversum von Star Wars hängen bleibt.

Star Trek Into Darkness, USA 2013 - Regie: J.J. Abrams. Buch: Alex Kurtzman, Roberto Orci, Damon Lindelof. Kamera: Daniel Mindel. Mit: Chris Pine, Zachary Quinto, Benedict Cumberbatch, Zoe Saldana, Karl Urban. Paramount, 129 Min.

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