Neues Buch von J. K. Rowling:Fetter Einkauf

Der deutsche Handel hat natürlich vorbestellt - doch er empfängt das neue Werk von J. K. Rowling zurückhaltend. Man kann es auch so sagen: Jetzt muss das Buch zeigen, ob es dem Vermarktungsformat gewachsen ist, das ganz auf den Weltbestseller abgestimmt ist.

Lothar Müller

"Nein, wir haben keinen Extrastand gemacht und auch nicht früher geöffnet", sagt Michael Lemling, Geschäftsführer der Buchhandlung Lehmkuhl in Schwabing. "Es gab auch keine Schlangen wie bei den Harry-Potter-Nächten. Wir haben hundert Exemplare von 'Ein plötzlicher Todesfall' auf Lager, das ist für uns ein fetter Einkauf, aber wir haben nicht 500 Stück gekauft. Wir warten ab, ob das der angekündigte Riesenerfolg wird."

Man kann es auch so sagen: Jetzt muss das Buch zeigen, ob es dem Vermarktungsformat gewachsen ist, das ganz auf den Weltbestseller abgestimmt ist. Der Carlsen Verlag, der die deutsche Ausgabe herausbringt, hat eine Erstauflage von 500.000 Exemplaren gedruckt. Man will dort mit Sekt anstoßen, wenn sie verkauft wird, und mit Champagner, wenn es die erhoffte Million wird. 200.000 Exemplare wären eine Enttäuschung.

Die großen Buchhandelsketten in Deutschland, Hugendubel oder Thalia, klagten in jüngster Zeit über Umsatzeinbußen. Sie hoffen nun, dass die Rowling-Buchtürme in den Läden so rasch abgebaut werden, wie sie in der Nacht zum Donnerstag aufgebaut wurden. "Es ist nicht gut", sagt der Verleger Michael Krüger vom Hanser Verlag in München, "wenn der Buchhandel sich mehr und mehr um die Super-Bestseller schart. Denn der Umsatz, der mit ihnen gemacht wird, kommt ja nicht einfach als Surplus hinzu. Er geht zum Teil auf Kosten der Bücher, die im Schatten verbleiben. Und die gegen Kritik und Vorablektüre abgedichtete Vermarktungsstrategie, bei der nicht einmal die Werbefirma genau weiß, wofür sie wirbt, schafft ein Klima, das für andere Bücher nicht gut ist."

Testläufe für die Entwicklung des E-Book-Geschäfts

Der stationäre Buchhandel mit festem Publikum und hoher Beratungskompetenz, für den der Schwabinger Buchhändler Lemling steht, nimmt - ob "Shades of Grey" oder "Ein plötzlicher Todesfall" - die Bestseller gern mit: "Wir brauchen das, wir dürfen das nicht geringschätzen, aber den Kuchen macht es nicht fett." Probleme aber hatte in jüngster Zeit das Modell "Buchhandel ohne Buchhändler" - die Rückentwicklung von Buchhandlungen zu reinen Verkaufsstationen, Spötter sagen "Amazon zum Selberabholen".

Bestseller wie nun der erste Rowling-Roman für Erwachsene werden noch primär als Ereignisse zum Anfassen inszeniert, bei denen J. K. Rowling leibhaftig auftritt und Hardcover auf Papier signiert. Zugleich sind die Bestseller Testläufe für die Entwicklung des E-Book-Geschäfts. Das hat die Autorin selbst rasch begriffen. Die E-Books der Harry Potter-Bände vermarktet sie auf ihrer Website "Pottermore.com" exklusiv selbst. Die E-Books von "The Casual Vacancy" hat sie den Verlagen überlassen. Nun hofft Carlsen auf mindestens 100.000 verkaufte E-Book-Exemplare. Das deutsche Hardcover kostet 24,90 Euro, das deutsche E-Book 19,99 Euro. Das E-Book des englischen Originals bekommt man auch in Deutschland für 15,99 Euro.

Von der wachsenden Attraktivität des E-Books ist der stationäre Buchhandel umso stärker betroffen, je näher er dem Modell "Amazon zum Selberabholen" kommt. Einfach nur auf die Bestseller hoffen, wird ihm daher nicht helfen. Selbst wenn auch dieses Buch von J. K. Rowling ein Megaseller wird.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: