Little Britain:Immer nur elende Perfektion

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Zieht es nun auch die Herrenausstatter in den Norden Londons? (Foto: iStockphoto.com)

Treibt es nun auch Herrenausstatter aus der edlen Savile Row in den Norden der Stadt, dorthin, wo das richtige Leben spielt? Die Reinigung nebenan verspricht die Antwort.

Von Christian Zaschke, London

Meine Reinigung wirbt damit, dass sie Kleidung nicht nur reinigt, sondern bei Bedarf auch repariert. Auf einem Schild im Fenster steht, dass alle Reparaturen von Meisterschneidern aus der Savile Row ausgeführt würden. Die Savile Row ist bekannt dafür, dass dort allerlei Herrenausstatter ansässig sind, die zum Preis eines Kleinwagens Maßanzüge schneidern. Erstaunlich, dachte ich, als ich damals gerade in London angekommen war, dass die Savile Row auch für die Reinigung in unserem Viertel arbeitet.

Als ich die Reinigung zum ersten Mal betrat, standen der Kleidungsentgegennehmer, die Chefin und der Schneider hinter dem Tresen und schauten interessiert, was ich wohl so abgeben wollte. Sie waren sehr freundlich und sprachen in verschiedenen osteuropäischen Akzenten. Herrlich rollende Rs, brüsk hervorgestoßene Vokale. Der Kleidungsentgegennehmer richtete mir ein Konto ein, die Chefin und der Schneider sahen interessiert dabei zu. Er tippte meinen Namen, meine Adresse und meine Telefonnummer ins System. Leider entzieht sich mein Nachname der korrekten Aussprache im Englischen. In der Regel werde ich "Sätschki" genannt, manchmal "Satschk". Am Flughafen wurde ich neulich als "Mister Säck" ausgerufen, was mir recht gut gefiel.

"Sorry", sagte ich also, nachdem ich meinen Namen buchstabiert hatte, "man kann das auf Englisch nicht aussprechen." Kurz herrschte Stille. Dann sagten der Kleidungsentgegennehmer, die Chefin und der Schneider nacheinander feierlich ihre Nachnamen auf, und es ist keine Übertreibung zu sagen, dass es sich um die unaussprechlichsten Namen des gesamten Königreichs handelte.

Im Laufe der Zeit fiel mir auf, dass in der Reinigung genau ein Schneider arbeitet. Es ist immer derselbe. Manchmal dachte ich: bemerkenswert. Von der Savile Row in die kleine Reinigung, die eingeklemmt zwischen einer Bank und einer Drogerie an einer viel befahrenen Straße liegt. Ich stellte mir vor, dass der Schneider vielleicht die Schnauze voll hatte von all den Maßanzügen und Meisterschneidern. Immer nur edles Tuch, immer nur feinster Schnitt, immer nur elende Perfektion. Auf, mag er gedacht haben, auf in den Norden der Stadt, in die Reinigung zwischen Bank und Drogerie, wo das richtige Leben spielt.

Als ich vor einer Woche zum ersten Mal eine Hose zum Flicken abgab, fragte ich den Schneider, um ein wenig Konversation zu machen, wann er denn auf der Savile Row gearbeitet habe. Er schaute interessiert auf die Hose und sagte sehr freundlich: "Auf der Savile Row? Noch nie." Seither ist er der Schneider meines Vertrauens.

© SZ vom 11.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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