Little Britain:Ein klitzekleines Bierchen

Bier

Im Januar wird vieler Orts auf Bier verzichtet - Schuld sind die guten Vorsätze zum Jahresbeginn.

(Foto: Getty Images)

Die Theken Londons sind öde und leer - Schuld daran sind die Abstinenzler, die sich vorgenommen haben, im Januar keinen Alkohol zu trinken und ein paar Kilo abzuspecken. Zum Glück hält das kaum jemand durch. Außer dem stets erstaunlichen G.

Von Christian Zaschke, London

Allmählich füllen sich die Londoner Pubs wieder. Das halbe Land nimmt sich vor, im Januar keinen Alkohol zu trinken, was an den ersten Tagen des Jahres dazu führt, dass die Theken öd sind und leer und dass bei uns übrig Gebliebenen das schlechte Gewissen immer mittrinkt. Wir nippen am ersten Feierabendbier, denken an die Daheimgebliebenen, verzichten aufs zweite und schleichen bedrückt zur U-Bahn, um durch endlose Tunnel nach Hause zu rattern.

Zum Glück hält kaum einer die Enthaltsamkeit den ganzen Monat durch, weshalb jetzt viele Stammgäste zurückkehren an die Tresen der Stadt. Dort bessert sich die Stimmung täglich, mit großem Hallo werden die Abstinenz-Abbrecher begrüßt. Die haben in der Regel zwei Kilo abgenommen, die sie sich aber in den ersten drei Tagen wieder drauftrinken. Alles könnte ganz wunderbar sein, wenn nicht der stets erstaunliche G. so eisern bliebe.

"Den ganzen Januar", sagte er, als ich ihn am Telefon dazu überreden wollte, auf ein klitzekleines Bierchen im Eagle vorbeizuschauen. "Und wenn wir ins Artillery Arms gehen?", fragte ich. Dort gibt es besonders gutes Bier, und immer, wenn wir da sind, passiert etwas Interessantes. Einmal wurden G. und ich für Zivilbullen gehalten, weil vor dem Pub gerade eine Messerstecherei stattgefunden hatte. Dem Artillery Arms, dessen war ich mir sicher, würde G. nicht widerstehen können.

"Nein", sprach G. mit fester Stimme in den Hörer. Ich sagte nichts und lauschte dem Rauschen der Leitung. Klang wie das Meer vor Póvoa de Varzim, wo es in den Strandbars leckeres Superbock gibt. Oder Sagres. Man trinkt es in kleinen Schlucken aus kleinen Flaschen und schaut dazu ein paar Stunden lang auf den Atlantik. "Und an den ersten beiden Tagen im Februar trinke ich auch nichts", rief G. triumphierend. Ich schwieg.

Anschließend verkündete G., dass er ja an seinem Hochzeitstag, der wunderbar gewesen sei und an dem er seiner wunderbaren Frau einen wunderbaren Ring geschenkt habe, eine Ausnahme vom Nichtstrinken gemacht habe. "Na und", sagte ich. "Für jeden Ausnahmetag muss ich zwei weitere Abstinenztage dranhängen", erklärte G. "Sagt wer?", fragte ich. "Sage ich", deklamierte G.

Ich lauschte wieder dem Rauschen der Leitung. Schwere See. "Erstmals seit Beginn der Aufzeichnungen wiege ich weniger als 87 Kilo", tat G. heiter kund, "stünde dir auch gut zu Gesicht." Ich hasste ihn. Die walisische Organisation "Dry January", führte G. aus, schicke ihm jeden Tag eine Durchhalteparole, da seien sogar Rezepte für alkoholfreie Cocktails dabei. "Hm", brummte ich matt, "und wie schmecken die so?" "Soll ich ehrlich sein?", fragte G. "Bitte", sagte ich. "Wie Laternenpfahl ganz unten", sagte G.

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