"3 Zimmer/Küche/Bad" im Kino:"Dieses narzisstische Wohnen"

Lesezeit: 4 min

Einpacken, auspacken, ausflippen: Die deutsche Komödie "3 Zimmer/Küche/Bad" beschreibt das Leben in Umzügen. Ein Gespräch mit Drehbuchautorin und Darstellerin Anna Brüggemann über die Gründe dafür, sich als junger Mensch in die Einrichtung einer Wohnung zu verrennen.

Irene Helmes

Acht Freunde erleben Herbst, Winter, Frühling und Sommer zwischen Möbelwagen, Kartons, WG-Gründungen und Trennungen. "Denn das Leben besteht aus Umzügen, und dies ist der Film dazu", heißt es in der Ankündigung von "3 Zimmer/Küche/Bad". Die Komödie lässt Lebenswünsche und -wirklichkeiten aufeinandertreffen. Dabei fallen Sätze wie " Wir sind die Generation, die schon Mitte zwanzig freiwillig die kreative Anarchie der Männer-WG gegen die Bürgerlichkeit einer Pärchenwohnung tauscht, hat mein Vater letztens gesagt ".

Anna Brüggemann als Dina und Alexander Khuon als Michael in einer Szene von "3 Zimmer/Küche/Bad" (Foto: dpa)

Anna Brüggemann, Jahrgang 1981, hat das Drehbuch verfasst und unter der Regie ihres Bruders Dietrich Brüggemann eine der Hauptrollen übernommen. Im Fernsehen spielte sie bereits unter anderem im "Tatort" und im "Polizeiruf", im Kino war sie in Filmen wie "Mitte Ende August", "Kleinruppin Forever" und "Berlin am Meer" zu sehen. Aus der Zusammenarbeit mit ihrem Bruder sind "Neun Szenen" (2005/2006) und "Renn, wenn Du kannst" (2010) entstanden, der die Sektion Perspektive Deutsches Kino der Berlinale eröffnete, Jury- und Publikumspreise gewann und bei Filmfestivals weltweit gezeigt wurde.

"3 Zimmer/Küche/Bad" feierte Anfang Juli beim Münchner Filmfest 2012 Premiere und kommt am 4. Oktober in die deutschen Kinos.

Süddeutsche.de: Zeigt "3 Zimmer/Küche/Bad" eine konservative Generation, die sich eigentlich nur nach der perfekten Wohnung sehnt?

Anna Brüggemann: Nein. Wir haben mit Absicht acht Figuren mit ganz verschiedenen Blickwinkeln entwickelt. Ich finde es schwierig, allgemein etwas über eine Generation zu sagen. Ich fand es schon im Kindergarten doof, über "Jungs" und "Mädchen" zu reden. Und später in der Schule dachte ich mir: So, mit denen allen bin ich also eine Generation, aber ich habe vielleicht mit vieren was gemeinsam ... Eine Zeitlang hatte ich aber das Gefühl, gerade in Berlin, dass wir eine Tendenz zum Neo-Biedermeier haben.

Wie sieht das aus?

Wir ziehen uns zurück und pflegen unser Heim, das ist alles nicht sehr revolutionär. Ich kenne wirklich einige Leute, die einen zu großen Fetisch um ihre Wohnung betreiben. Hier noch ein Schnörkelchen und da auch noch eins. Eigentlich kann doch jede Wohnung irgendwie schön sein, aber man tut so, als ginge es um eine Lebensentscheidung. Darauf bezieht sich ja dann auch im Film ein Wutanfall von Wiebke, der das Wohnungsthema irgendwann zu viel wird.

Dieses Hineinsteigern in die Details und Hineinprojezieren ...?

Genau, dieses narzisstische Wohnen. Meine Wohnung muss genau so gepflegt werden wie mein sensibles Seelengerüst. Na ja, und dass man irgendwie hofft, wenn ich jetzt toll wohne, dann wird mein Leben auch toll.

Bei vielen Figuren im Film hat man den Eindruck, dass sie mit selbstgemachten Problemen kämpfen.

Die Probleme sind nicht nur hausgemacht. Die eine will eine schöne Beziehung, dem Partner ist das völlig egal, der andere bewirbt sich ewig um einen Studienplatz - und die Ehe der Eltern erweist sich als kaputt. Das sind jetzt nicht die großen Schicksalsschläge, aber man erlebt das alles am eigenen Leib nicht gerne. Die Figuren haben allerdings oft vordergründig ein Ziel und denken, wenn das klappt, wird alles gut, dabei würde ihnen tatsächlich etwas ganz anderes weiterhelfen. Das kennt man doch auch von sich selbst. Man rennt in die falsche Richtung, aber man rennt.

Oder die Dinge passen einfach nicht zusammen. Insgesamt scheint den Figuren klar, dass es für sie nie das Leben geben wird, das ihnen vorgelebt wurde.

Das erleben wir ja alle. Wir wissen alle, dass wir weniger Geld verdienen werden als unsere Eltern. Wir leben eigentlich prekär und trotzdem sind wir alle ehrgeizig und wollen im Beruf und privat was hinkriegen. Das ist ein Widerspruch in unserem eigenen Leben, den wir aushalten müssen.

Der Film zeigt auch die Beziehungen der erwachsenen Kinder zu ihren Eltern. In einer Szene überlegt Corinna Harfouch im Beisein ihres Nachwuchses, ob sie mit einem anderem Mann "erfolgreichere Kinder" gehabt hätte. Und auch andere Eltern stellen die Entwicklung der Protagonisten in Frage.

Jacob Matschenz als Philipp und Corinna Harfouch als seine Mutter in "3 Zimmer/Küche/Bad" (Foto: dpa)

Ja, die haben so ein Elternwertesystem. Seid ihr irgendwie sicher, kriegt ihr genug Geld, ist mit der Beziehung alles in Ordnung, müssen wir uns keine Sorgen machen? In den Rest einzusteigen, wäre ihnen, glaube ich, zu kompliziert. Und da verändert sich ja auch dauernd was. Das ist dann schon eine Art von Distanz. Die Figuren müssen eben selber sehen, wie sie klarkommen. Wobei es trotzdem Auswirkungen hat, was die Eltern tun, etwa die Trennung eines Elternpaars im Film. Deshalb war es uns auch wichtig, die Eltern zu zeigen. Sie haben wie Planeten eine Gravitation.

Ist die Suche nach der perfekten Wohnung angesichts all dieser Unsicherheiten also ein Ausgleich? Die Suche nach Sicherheit in diesen drei Zimmern mit Küche und Bad?

Für ein paar Leute ist es wichtig, aber aus unterschiedlichen Gründen. Man liest doch ständig, dass die Welt so unübersichtlich ist. Die Globalisierung, man bekommt keine feste Zusicherung im Job, auch nicht in der Beziehung, also versucht man zu Hause, alles niedlich und gut zu machen. Ob es insgesamt für unsere Generation so ist, dass man wenigstens eine tolle Wohnung möchte? Das kann schon sein. Dass man sagt, ein Haus ist mir vielleicht zu spießig und ich könnte es mir eh nicht leisten - aber meine Wohnung muss toll sein. Und dahin ziehe ich mich auch zurück, das ist meine Burg. Ich denke schon, dass sich da viele wiederfinden können, ich teilweise auch.

Ist "3 Zimmer/Küche/Bad" ein Berlin-Film? Diese Diskussionen um Parkettböden und Stuck, was anderswo entweder nicht existiert oder unerschwinglich ist?

Dass alle ständig umziehen, das ist natürlich schon Berlin geschuldet. Aber das Lebensgefühl, dieses Suchen, dieses Hoffen, ich glaube, das kennen alle. Es ist ja nicht nur die Wohnungssuche, es ist auch die Suche nach einer Daseinsform. Zu entscheiden, mit wem man gerade zusammenleben will, sich um seine Freunde zu kümmern, gleichzeitig irgendwie mit den Eltern klarzukommen. Ich denke, diese emotionalen Fragezeichen gibt es anderswo auch, sie waren bei der letzten Generation auch schon da. Ich glaube also nicht, dass es allein ein Berlin-Film ist.

Was tatsächlich nicht vorkommt, sind die üblichen Debatten um die Berliner Stadtviertel.

Ja, wir finden die Diskussion amüsant, aber auch ein bisschen albern. Es geht im Leben ja dann doch um grundsätzlichere Fragen als die, ob ich jetzt nach Friedrichshain oder nach Neukölln ziehe. Viel interessanter ist, mit wem ich da hinziehe, und wer den Umzugswagen fährt.

© Süddeutsche.de/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: