US-Schriftstellerin:"Wer die Nachtigall stört"-Autorin Harper Lee ist tot

US-Schriftstellerin: Die amerikanische Schriftstellerin Harper Lee.

Die amerikanische Schriftstellerin Harper Lee.

(Foto: imago stock&people)

Mit einem einzigen Buch gelangte sie zu Weltruhm. Jetzt ist die Pulitzerpreisträgerin Harper Lee mit 89 Jahren gestorben. Noch im vergangenen Jahr hatte sie ein überraschendes Comeback gefeiert.

Die amerikanische Schriftstellerin Harper Lee ist tot. Das bestätigte eine Sprecherin ihres deutschen Verlages der Süddeutschen Zeitung. Lees bekanntestes Werk "Wer die Nachtigall stört" (im Original: To Kill a Mockingbird), das in mehr als 40 Sprachen übersetzt wurde, brachte ihr 1961 den Pulitzerpreis ein.

Der Roman erzählt von einer Kindheit in den Dreißigern, im Städtchen Maycomb, Alabama, im tiefsten Süden der USA. Das Mädchen Jean Louise, von allen Scout genannt, ihr Bruder Jem und ihr Freund Dill strolchen durch den Kleinstadt-Ferienalltag, Scouts Vater Atticus Finch ist Anwalt und übernimmt, gegen starken Widerstand aus der Stadt, die Verteidigung eines jungen Afroamerikaners, der einer Vergewaltigung beschuldigt wird.

Lees Protagonist Finch wurde zur amerikanischen Leitfigur. Ein aufrechter Kämpfer für Gerechtigkeit und Gleichheit, ein Nationalheiliger in einer Welt der Rückständigkeit und des Rassismus - erst recht, seit Gregory Peck ihn in der Verfilmung des Romans von 1962 verkörperte.

Von der Jurastudentin zur Schrifstellerin

Die Autorin stammt selbst aus Alabama. Am 28. April 1926 wurde sie im Städtchen Monroeville als jüngstes von vier Kindern geboren. Ein ausgeprägtes Gefühl für Gerechtigkeit war in die Wiege gelegt: Ihr Vater war Rechtsanwalt und Staatssenator in Alabama. 1944 begann Lee selbst ein Studium in Rechtswissenschaften am Huntington College Montgomery, 1945 wechselte sie an die University of Alabama in Tuscaloosa, wo sie für die Studentenzeitung Rammer Jammer tätig war. Durch einen Studienaufenthalt 1948 in Oxford kam sie mit Literatur in Berührung - im Jahr darauf gab sie ihr Jura-Studium zugunsten ihrer neuen Leidenschaft auf.

Die junge Frau zog nach New York City und arbeitete dort unter anderem in einer Buchhandlung. Über ihren Freund aus Kindheitstagen, Schriftsteller Truman Capote, lernte sie das Ehepaar Michael und Joy Brown kennen, das ihre literarischen Ambitionen förderte und sie finanziell unterstützte. 1957 legte Lee dem Verlag J.B. Lippincott ein Manuskript mit Kurzgeschichten über das Leben in den Südstaaten der 1930er Jahre vor. Zwar wurde das Manuskript nicht veröffentlicht, doch kamen darin bereits einige der maßgeblichen Protagonisten aus Lees Romandebüt vor, das dann 1960 unter dem Titel "To Kill a Mockingbird" erschien.

Rückzug aus der Öffentlichkeit und überraschendes literarisches Comeback

Nach dem Erfolg zog sich Lee überraschend aus der literarischen Öffentlichkeit zurück. Erst 2015 - 55 Jahre nach dem Erscheinen des Debüts - wurde ein zweiter Roman der Autorin veröffentlicht: "Gehe hin, stelle einen Wächter" (Go Set a Watchman) soll Lee vor "Wer die Nachtigall stört" verfasst haben. Darin thematisiert sie die Rückkehr der 28-jährigen Jean Louise in ihren Heimatort. Das um 1957 geschriebene und verloren gegangene Manuskript war in Lees Archiv entdeckt worden.

Das Buch spielt in den Fünfzigern, seiner Entstehungszeit also. Jean Louise kehrt aus New York mit intellektuellen Ostküsten-Ideen in ihre Heimatstadt zurück und muss erkennen, dass ihr verehrter Vater nicht besser ist als die anderen Rassisten der Stadt. Er meint, die Afroamerikaner, denen die Regierung in Washington die Gleichberechtigung verschaffen will, seien noch nicht reif dafür und beharrt auf der Rassentrennung. Schmerzlich führt das Buch, im schroffen Gegensatz zur "Nachtigall", in eine gar nicht harmonische, zerrissene, paranoide Welt, in die Jahre der erstarkenden Bürgerrechtsbewegung, die mit jahrhundertealten Konventionen und Ansichten brach.

Lee starb im Alter von 89 Jahren in ihrem Heimatort Monroeville.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: