75. Geburtstag von Donald Duck:Unser aller Underdog

Der größte Comic-Held aller Zeiten ist das Gegenteil von reich und schön. Seine Fans bezweifeln außerdem, dass Donald Duck heute wirklich 75 wird.

Titus Arnu

Wie schmeckt Zander an Blubberlutschsauce? Warum tragen nur weibliche Enten Schuhe? Ist Donald Duck ein Linkshänder? Neigt Onkel Dagobert zur Fraudulenz? Und was soll das überhaupt sein, Fraudulenz bei alten Enten?

75. Geburtstag von Donald Duck: Als heiß umstritten gilt die Frage, ob dieser junge Herr am heutigen Dienstag tatsächlich schon 75 Jahre alt wird.

Als heiß umstritten gilt die Frage, ob dieser junge Herr am heutigen Dienstag tatsächlich schon 75 Jahre alt wird.

(Foto: Bild: dpa)

Es gibt Leute, die können jahrelang über solche Fragen fachsimpeln. Die Mitglieder der Deutschen Organisation nichtkommerzieller Anhänger des lauteren Donaldismus (D.O.N.A.L.D.) diskutieren auf ihren Kongressen leidenschaftlich über "Donaldistische Utopie", schreiben Aufsätze über den rätselhaften Rüsselschnurps und die Neurotische Nachtigall oder arbeiten 13 Jahre lang an einem Stadtplan von Entenhausen.

Ein hochbrisantes Thema im Kosmos der Duckologen ist Donalds Geburtstag. Der Disney-Konzern feiert den 9. Juni als 75. Geburtstag des weltberühmten Erpels, weil er 1934 bei der Uraufführung des Zeichentrickfilms "The Wise Little Hen" zum ersten Mal zu sehen war. "Das kann nicht Donalds Geburtstag sein," sagt jedoch Gerhard Severin, "amtierende Präsidente" der Donaldisten, "denn erstens ist er im Film ja schon erwachsen, zweitens wurde er noch früher in einer Micky-Maus-Geschichte erwähnt."

Trotzdem will Severin am 9. Juni in Schwarzenbach an der Saale zu Ehren Donalds eine Linde pflanzen, zusammen mit dem Bürgermeister, der ebenfalls Donaldist ist. Schwarzenbach ist der Geburtsort von Dr. Erika Fuchs, der langjährigen Übersetzerin der Micky-Maus-Geschichten, die von den Donaldisten für ihre Sprachschöpfungen, Alliterationen und Anspielungen kultisch verehrt wird. "Präsidente" Severin, der als Richter in Hof arbeitet, ist aus donaldistischen Gründen nach Saalbach umgezogen, zusammen mit seiner Donald-Devotionalien-Sammlung, die 3000 Einzelteile umfasst. Die Sachen sollen bald im ersten Donald-Duck-Museum zu bewundern sein, das die Erika-Fuchs-Stiftung (dahinter steckt ein "Club der Milliardäre") in Schwarzenbach errichtet.

Donaldisten wie Severin verfechten die Theorie, dass ihr Idol am 13.3. oder 31.3. geboren ist, etwa um 1920 herum. Severin verweist auf Donalds Autonummer (313 für März-13) und auf eine Äußerung Walt Disneys, nach der Donald an einem Freitag den 13. zur Welt kam. Der Legende nach, die Disney selbst in die Welt setzte, flog Donald in einer Schlammblase durch ein Fenster des Disney-Studios, landete auf dem Tisch, um den sich eine Autorenrunde versammelt hatte, und unterbrach die Sitzung mit den wütenden Worten: "Wollt ihr was von mir?"

Ja, die Welt wollte was von ihm. Donald Duck, einzige Ente unter den Underdogs, wurde zum größten Comic-Helden aller Zeiten, obwohl er weder über Superkräfte verfügt, noch besonders reich, schön und schlau ist. Im Gegenteil, es liegt gerade an seiner Durchschnittlichkeit, dass er so überdurchschnittlich erfolgreich ist. Sein ewiges Pech, seine Wutanfälle, seine Fehler und seine wahnwitzigen Einfälle machen ihn zur Identifikationsfigur für fast jeden, der sich nicht selbst überschätzt. "Donald Duck in den Cartoons wie die Unglücklichen in der Realität erhalten ihre Prügel, damit der Zuschauer sich an die eigenen gewöhnen kann", schrieb Theodor W. Adorno in der "Dialektik der Aufklärung."

Gerade weil er so unvollkommen erscheint, ist der Super-Anti-Held so beliebt bei seinen Lesern. Er gilt als Stehauf-Entchen, er hat nie genug Geld, kein Glück mit den Frauen und ist immer auf Arbeitssuche. Allerdings kann er auch auf eine ziemlich umfangreiche Berufserfahrung zurückblicken, er arbeitete unter anderem als Museumsdiener, Glasermeister, Aushilfserfinder, Froschfarmer, Truthahnjäger, Raketenschrottkehrer, Himmelsschreiber, Schlangenbeschwörer, gewerbemäßiger Zerstörer, Theaterschauspieler, Bodyguard, Eisverkäufer, Reporter, Nachtwächter, Kammerjäger, Eisberg-Transporteur, Wüstenfarmer, Traumprüfer und Dampforgelverkäufer. Hier wären noch mindestens hundert andere Jobs aufzulisten, aber das würde den festlichen Rahmen sprengen.

Möglicherweise ist das auch ein Thema für die donaldistischen Fachkongresse. Das sind Veranstaltungen, bei denen Experten über die "ethologische Analyse des Indischen Plaudervogels" referieren, die Rolle "des rechtswendigen Gurkenmurksers in der Differentialdiagnose des Zeckenstichs in der nördlichen Hemisphäre" beleuchten und Sexualforscher über "Fortpflanzung durch Veronkelung" diskutieren. Donaldisten applaudieren nach einem gelungenen Beitrag, indem sie "Klatsch, klatsch, klatsch" rufen. Tick, Trick und Track würden so etwas möglicherweise wie in der Geschichte "Rat einmal" kommentieren: "Mein Gehirn käst."

Außenstehende mögen sich fragen, warum die deutschen Donaldisten so ein grüblerisches Gewese machen, und wer eine Antwort finden will, sollte in der Satzung der Organisation blättern. Paragraph 1 besagt: "Ziel der Organisation ist die Pflege, Förderung und Verbreitung donaldistischen Sinngutes." Die Donaldisten haben eine Hymne ("Der rührselige Cowboy"), einen Zeremonienmeister, einen Kassenwart und eine "Präsidente" (ist sie männlichen Geschlechts, so ist die Bezeichnung "Präsiderpel" statthaft). Es gibt einen Beschaffungsausschuss für donaldistisches Kulturgut (BafdoKug), dessen "donaldistische Ehrenpflicht" es ist, durch Zeitungsannoncen Reliquien wie alte Micky-Maus-Hefte zu beschaffen.

Alle Donaldisten, etwa 500 sind es derzeit, akzeptieren als Grundlage ihrer Wissenschaft das Postulat, dass Entenhausen tatsächlich existiert. Wenn nicht auf dieser Welt, dann in einer Art Paralleluniversum, das der amerikanischen Westküste sehr ähnlich ist. Sehr zur Freude der Forscher ist auch vieles in diesem Universum noch ungeklärt. Sind die Enten am Ende vielleicht gar keine Enten, sondern Menschen, die aussehen wie Enten? Existieren quadratische Eier wirklich? Kann man in Vulkankratern Popcorn machen, indem man Mais aus dem Flugzeug abwirft? Und was bedeutet "Flicus, Flacus, Dumdideldacus"? Grübel, grübel.

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