70. Geburtstag: Claudia Cardinale:Die Unerschrockene

Das Prinzip des Ewigweiblichen: Lust und Gefahr zugleich, war Claudia Cardinale mehr als das süße Kätzchen, das viele in ihr sahen. Eine Tigerin wird 70.

Tobias Kniebe

Ein verwunschener Garten, ein alter Palazzo, düstere Räume, aufgeladen mit den Geheimnissen der Vergangenheit - und mittendrin diese junge Frau, die vor Sinnlichkeit fast zu vibrieren scheint, getrieben von den Rachegedanken einer modernen Elektra, vom Eros einer verbotenen Geschwisterliebe. "Sandra - Vaghe stelle dell'Orsa" gehört nicht einmal zu den bekanntesten Filmen Luchino Viscontis - doch niemand, der Claudia Cardinale darin gesehen hat, wird ihre Präsenz so leicht wieder vergessen.

Auf der Couch

Lust und Gefahr, Offenheit und Undurchschaubarkeit, das gehörte in ihren Rollen bald zusammen, das machte sie für die größten Regisseure interessant und erlöste sie schon früh von dem Schicksal, nur die neueste und erotischste italienische Entdeckung zu sein, die sie Ende der fünfziger Jahre war. "Jedermann glaubt, dass Claudia Cardinale ein gutaussehendes Kätzchen ist, das ausgestreckt auf der Couch liegt und darauf wartet, gestreichelt zu werden", sagte Visconti damals über sie. "Aber ich sage Ihnen, dieses Kätzchen ist im Begriff, eine Tigerin zu werden, die früher oder später ihren Bändiger zerreißen wird."

Schon klar, etwas Katzenhaftes hat sie in vielen ihrer Auftritte: Wenn sie im "Leopard", wiederum für Visconti, ganz außer Atem ins Zimmer stürzt, die Haare vom Unwetter durchnässt, das Gesicht von Regentropfen bedeckt, aufgewühlt von der Nachricht, dass der Geliebte Alain Delon endlich eingetroffen ist; wenn sie sich für Blake Edwards' "Pink Panther" im rosa Pullover durch Cortina d'Ampezzo schlängelt, als ahnungslose Prinzessin im Zentrum eines wahnsinnigen Diamantenraubs; oder wenn sie als unfassbare Erscheinung durch Fellinis "81/2" schwebt, zugleich als Verkörperung ihrer selbst und als Prinzip des Ewigweiblichen.

Diese drei Meisterwerke hat sie wohlgemerkt in einem einzigen Jahr gedreht, 1963, und überhaupt ist es verblüffend, wie viele unvergängliche Juwelen der Filmgeschichte sie als Trophäen ihres Schaffens vorweisen kann: Viscontis "Rocco und seine Brüder" ist auch noch dabei, dann Sergio Leones "Spiel mir das Lied vom Tod", schließlich Werner Herzogs "Fitzcarraldo". Sophia Loren, Gina Lollobrigida und Brigitte Bardot, mit denen sie häufig verglichen wurde, mögen insgesamt berühmter gewesen sein - mit dieser Ausbeute aber können sie kaum konkurrieren.

Geheimnisvoll

Vielleicht hat es damit zu tun, dass Claudia Cardinale sich von Anfang an in Wagnisse stürzen musste, ins Filmgeschäft wie in ein fremdes Land hineingeworfen wurde: Als Tochter sizilianischer Eltern in Tunis geboren und französischsprachig aufgewachsen, gewann sie dort mit achtzehn einen italienischen Schönheitswettbewerb, ohne ein Wort der Sprache zu sprechen.

Das italienische Kino wollte sie trotzdem sofort haben, wenig später auch das amerikanische, und die Sprachprobleme wurden zunächst durch Synchronisation überbrückt. Es hat dann eine Weile gedauert, bis sie ihre eigene Stimme fand und damit auch gehört wurde, aber sie hat hart an sich gearbeitet, kein Risiko gescheut - und es auf der Leinwand wie im Leben stets verstanden, ihr Geheimnis zu wahren.

Dass auch verrückte Genies ihr großes Herz immer wieder erobern konnten, war am Ende ein echtes Glück: Wenige Diven ihres Formats hätten sich bereitgefunden, dem Terror-Gespann Herzog/Kinski tief in den südamerikanischen Urwald zu folgen - und doch sah sie dann als Fitzcarraldos Gefährtin umwerfend aus in ihrem langen, weißen Kleid, dessen Saum von den Pfützen des Slums bald völlig verschmutzt war.

Oder der besessene Kindskopf Sergio Leone: Als er ihr die Rolle der Jill McBain in "Spiel mir das Lied vom Tod" antrug, so erinnert sie sich, erging er sich gleich ausführlich in der Schilderung der ersten gemeinsamen Einstellung: Ihre Figur, eine Prostituierte aus New Orleans, würde mit der Eisenbahn im Westen ankommen, wo die Kamera schon warten sollte, in Bodennähe, um ihr sofort unter den Rock zu filmen. Unterwäsche, so erklärte Leone begeistert, sei bei diesem Shot nicht vorgesehen...

Die Erinnerung bringt das nachsichtig-souveräne Lächeln zurück, mit dem sie den Maestro damals zur Ordnung rief und sich natürlich durchsetzte - um die Rolle dann trotzdem anzunehmen. Eine Tigerin, fürwahr.

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