56. Biennale in Venedig:Dramen in der Bilderhöhle

Suppe in der Farbe westlich-heller Haut, knallbunte Trümmer und "Notfallkino" direkt aus Syrien: In Venedig eröffnet mit der Biennale eine der wichtigsten Kunstausstellungen der Welt. Sie ist sehr politisch.

Von Catrin Lorch und Kia Vahland

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Pamela Rosenkranz - Schweizer Pavillon

Venice Biennale 2015 - Swiss pavillion

Quelle: dpa

Dass einem - ausgerechnet in Venedig - Wasser so fremd vorkommen kann: Pamela Rosenkranz hat den Pavillon der Schweiz geflutet, brusthoch etwa steht dort die Brühe. "Our Product" ist eine rosa Suppe, ein kleiner Prospekt preist es als Produkt an. Aber was man damit genau machen soll bleibt unklar: Nahrung, Kosmetik, Medizin, Ersatzstoff? Sauber eingefärbt in einem Farbton, der der westlich-heller Haut nahe kommt. Doch man möchte die brodelnde Flüssigkeit lieber nicht anfassen. Oder essen. Denn aufgelistet sind auch alle Bakterien und Zusatzstoffe und Chemikalien. Wahrscheinlich würde man auch in Lourdes kein Wunderwasser mehr anrühren - das hier ist ganz harmlos und wird am Ende der Ausstellung in die Lagune abgelassen.

Catrin Lorch

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Katharina Grosse

Venice Biennale Arte opens

Quelle: dpa

Die deutsche Malerin Katharina Grosse mag und beherrscht den ganz großen Auftritt. Im Arsenale, einem Schauort der Hauptausstellung, hängt die Kunst ansonsten eher eng an eng. Grosse aber durfte einen ganzen Backsteinsaal mit Trümmern füllen und sie knallbunt ansprühen. Das Werk flirrt vor den Augen, regt an und ein bisschen auf - und schafft merkwürdigerweise einen Moment der Konzentration inmitten der Fülle.

Kia Vahland

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Arena

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Quelle: Isabella Balena; Biennale de Venice 2015 https://www.facebook.com/Labiennaledivenezia

Die Arena ist das pochende Herz dieser Biennale. Es handelt sich um eine Bühne, die der Kurator Okwui Enwezor in die Mitte der Hauptausstellung gepflanzt hat. Hier wird rezitiert (unter anderem das "Kapital" von Karl Marx), gesungen (Luigi Nonos Stücke, inszeniert von Olaf Nicolai) und in die Tasten gehauen - wenn etwa die stimmgewaltige Sängerin Alicia Hall Moran zu ihren "Work Songs" begleitet wird. Die Kunst verleibt sich an diesem inspirierenden Ort Theater, Musik, auch Film und Oper ein - und es tut allen Seiten gut.

Kia Vahland

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Hito Steyerl - Deutscher Pavillon

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Quelle: AFP

Hito Steyerl war nun nicht unbedingt die Künstlerin, von der man erwartet, dass sie sich für repräsentative Zwecke einspannen lässt. Doch die Dokumentarfilmerin, zur Gruppenschau im deutschen Pavillon verpflichtet, dreht ihre Aufgabe um: "Ich habe das durchaus als Auftrag verstanden, das, was ich momentan zu Deutschland zu sagen habe, umzusetzen. Dem Land mitzuteilen, was ich von ihm halte. Das verstehe ich unter Repräsentation", sagt sie, und schneidet Bankberater, Überwachungstechniker und einsame YouTube-Nerds in ihrem Hobbykeller zur absolut zeitgenössischen Montage. Ist das Deutschland? Und wen vertritt die 1966 in München geborene Künstlerin jetzt in Venedig? Eigentlich, sagt Hito Steyerl, bedauere sie es, dass man als Künstler nicht gezwungen sei, "auf den Stufen des Pavillons aufgereiht die Nationalhymne zu singen. Dann könnte ich - wie Mesut Özil - nämlich hier stehen und nicht mitsingen."

Catrin Lorch

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Kollektiv "Abounaddara" - Arsenale

Kunstbiennale Venedig - Abounaddara

Quelle: dpa

Ausbeutung und Widerstand, Herrschaft und Protest sind Leitthemen der von Okwui Enwezor zusammengestellten Hauptausstellung auf dem Biennale-Gelände und im angrenzenden Arsenale, einer umgewidmeten Werft. Die großen Säle hängen voll mit Kunst, beschaulicher geht es dagegen hinter dem Arsenale zu. In den kleinen Kammern zum Garten sind einige der intensivsten Arbeiten untergebracht, darunter ein Film von dem syrischen Künstlerkollektiv Abounaddara. Jeden Freitag stellt die Gruppe einen Dokumentarfilm über das Leben in Syrien ins Netz, "Notfallkino" nennen sie das. Die Stücke handeln vom täglichen Leben, von einzelnen Schicksalen. Da ist die Religionslehrerin, die im Interview gegen den Fundamentalismus des "Islamischen Staates" aufbegehrt oder der Soldat, der nicht erträgt, wie wenig die syrische Armee Zivilisten schützt. Changierend zwischen Kunst, Selbsthilfe und Bürgerjournalismus rettet die Gruppe persönliche Erinnerungen der Syrer für die Welt.

Kia Vahland

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Danh Vo - Dänischer Pavillon

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Quelle: Nick Ash

Der in Vietnam geborene, in Kopenhagen aufgewachsene Künstler Danh Vo hantiert im dänischen Pavillon mit Fragmenten von antiken und mittelalterlichen Skulpturen, Zitaten aus dem Film "Der Exorzist" von 1973, dänischen Designertischen und einem Brief aus dem 19. Jahrhundert, den Vos Vater ohne Kenntnis des Inhalts in Schönschrift kopiert hat, wie einst portugiesische Missionare das Vietnamesische in lateinischer Schrift erfassten. Das klingt nach einer abenteuerlichen Mischung, kommt aber wie immer bei diesem Künstler ausgeruht daher und erzählt klug und sinnenstark vom Kulturtransfer in alter und neuer Zeit.

Kia Vahland

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Lina Selander - Schwedischer Pavillon

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Quelle: Lina Selander

Historisch recherchiert hat die Schwedin Lina Selander. Sie entdeckte für ihren Auftritt im schwedischen Pavillon deutsche Geldscheine aus den frühen Zwanzigerjahren, die zwischen Südseekitsch und Militarismus changieren. Aschaffenburg gab einen 50-Pfennig-Schein heraus, auf dem ein Schwert die Weltkugel durchbohrt, flankiert von einer Taube, die auch keinen Frieden stiftet. Andere ergehen sich in Aufrufen an deutsche Mütter, ihre Babys zur Militanz zu erziehen. Das kombiniert Selander in irrwitzigen und doch poetischen Filminstallationen mit antiken Fundstücken darüber, wie aus der griechischen Göttin der Erinnerung, Mnemosyne, in Rom die Göttin Moneta wurde - und das Geld das Gedächtnis verdrängte. Diese so inspirierende wie bezaubernde Arbeit erinnert ein bisschen an das assoziative Denken des Kulturwissenschaftlers Aby Warburg - nur dass Selander auch größere weltgeschichtliche Dramen in die Wohlfühlatmosphäre einer entspannten Bilderhöhle zu tauchen vermag.

Kia Vahland

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Olaf Nicolai - Arena

Venedig Biennale, 2015, Olaf Nicolai

Quelle: Fabian Reben, Galerie Eigen + ART Berlin

Die Ausstellung stören: Dass der italienische Komponist Luigi Nono einst gegen die Biennale protestierte, ist weitgehend in Vergessenheit geraten: 1968 war das, Nono hatte sich ohnehin schon von der klassischen Komposition verabschiedet - weswegen er Tonaufnahmen des Protests in seiner Musik verarbeitete. Olaf Nicolais Arbeit "Non consumiamo.... (to Luigi Nono)" wird jetzt von vier Sängern aufgeführt: In der Arena im Eingang der Weltkunstschau, aber man kann sich die Musik auch ausleihen. Als Lautsprecher in einem Rucksack, man kann die einzelnen Stimmen wie Kanäle regulieren. Und sogar während der lauten Vernissagen-Tage gibt es wohl nichts bewegenderes, als den Moment, wenn neben einem der Gesang anhebt.

Catrin Lorch

© SZ.de/khil
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