SZ-Werkstatt:Von wegen Transparenz

Lena Kampf

Lena Kampf, 32, arbeitet für den Rechercheverbund aus Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR in Berlin. Sie verbrachte neun Tage auf dem US-Stützpunkt auf Kuba. Journalisten wurden im "Camp Justice" untergebracht.

(Foto: Justin Azpiazu/Miami Herald)

Lena Kampf hat von ihrer Recherche in Guantanamo Bay für das "Buch Zwei" viele Eindrücke mitgebracht. Vor allem jenen: Guantanamo ist ein Ort des gegenseitigen Misstrauens.

Von Lena Kampf

Lena Kampf berichtet von ihrer Recherche in Guantanamo Bay für die Reportage "Der Prozess" im Buch Zwei:

Badeanzug nicht vergessen, sagt der Presseoffizier am Telefon kurz vor der Abreise nach Guantanamo Bay. Man könne dort toll schnorcheln. Außerdem werde es Gelegenheit geben, beeindruckende Sonnenaufgänge zu fotografieren.

"Sicher, human, legal und transparent", steht auf dem Banner der Truppe, die für das Gefängnis verantwortlich ist. Man tut hier alles dafür, dem Eindruck entgegenzuwirken, Guantanamo sei ein rechtsfreier Raum. Die "Tugend der Woche" am Eingangstor: Integrität.

Direkt nach Ankunft, es ist fast Mitternacht, eine Powerpoint-Präsentation mit den Regeln für die Presse: Rote Pfeile markieren verbotene Winkel, das Gerichtsgebäude darf nicht fotografiert werden, niederrangige Soldaten nur ohne Kopf. Das gilt auch für die Insassen: "Seine eigene Mutter darf ihn nicht erkennen", heißt es.

Guantanamo ist ein Ort des gegenseitigen Misstrauens: Überall hängen Plakate, die Soldaten zur "Operationssicherheit" mahnen. Schweigen ist Gold. Internet gibt es nur über Kabel, aber will man das in seinen Laptop stecken? Besser offline bleiben.

Im Zuschauerraum wird das Geschehen im Gerichtssaal mit 40 Sekunden Verzögerung übertragen, für den Fall, dass jemand etwas als "geheim" Eingestuftes sagt. Eine sehr grobe Skizze der Sitzordnung, ein paar Striche bloß, muss aus dem Notizblock wieder herausgerissen werden. Zeichnungen sind nicht erlaubt. Beim Besuchstermin im Gefängnis werden Journalisten durch die Zellenblöcke der "fügsamen Insassen" gescheucht. Hier fallen die Worte "hoch professionell", "die beste Krankenversorgung", "mentale Stimulation".

Eine Führung durch das ausgemusterte Camp X-Ray wurde von der Tour gestrichen. Die alten Käfige sollen das Bild nicht mehr bestimmen. Guantanamo soll jetzt menschlich sein.

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