SZ-Werkstatt:Twitter und die Panik

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Katrin Langhans, 29, ist Redakteurin im Ressort Investigative Recherche, macht aber gern Exkursionen in die digitale Welt. Daten findet sie spannend, wenn die Geschichten darin ihr eine neue Perspektive auf die Welt eröffnen. (Foto: Privat)

Katrin Langhans, Redakteurin bei der Investigativen Recherche, erklärt, warum die SZ 113 000 Tweets zur Münchner Amoknacht sichtete.

Katrin Langhans berichtet, warum die SZ im Buch Zwei 113 000 Tweets zur Amoknacht in München ausgewertet hat:

"Am 22. Juli erschießt David S. neun Menschen am Einkaufszentrum OEZ. Binnen weniger Stunden wird aus der Schießerei eines Amokläufers im Norden Münchens aufgrund falscher Hinweise und Gerüchte ein Terroranschlag: Drei Schützen sollen mit Langwaffen in der ganzen Stadt unterwegs sein. Angst frisst sich minutenschnell in die Köpfe der Menschen, bis ins Herz Münchens, bis in die Innenstadt.

Wir haben uns gefragt, welche Rolle die sozialen Medien bei der Verbreitung der Gerüchte und der Panik gespielt haben. Auf Facebook ist vieles nicht öffentlich. Aber auf dem Netzwerk Twitter, auf dem sich weltweit mehr als 300 Millionen Nutzer austauschen, konnten wir - automatisiert mit einem Programm - die Kurznachrichten für die Zeit von Freitagabend bis Samstagmorgen zu relevanten Schlagworten wie "Terror", "Stachus" und "Hofbräuhaus" filtern. Das hat geholfen zu verstehen, wie sich die Gerüchte an dem Abend hochgeschaukelt haben.

Zu sechst haben wir zwei Monate lang die Daten in Exceltabellen nach spannenden Inhalten durchsucht. Dabei haben uns vor allem zwei Dinge interessiert: Wer waren die Ersten, die auf Twitter Gerüchte über Schießereien in der Innenstadt verbreitet haben, und welche Tweets waren besonders einflussreich? Viele relevante Nutzer wollten nicht mit uns reden. Sie haben ihre Gerüchte-Tweets nachträglich gelöscht.

Interessant war auch zu sehen, wie die Dementis der Polizei wirken: Twittert die Polizei neue Infos, steigt nicht nur die Zahl der Tweets pro Minute an, auch die konkreten Formulierungen der Beamten werden sofort übernommen und prägen nachhaltig die Diskussion."

© SZ vom 01.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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