SZ-Werkstatt:Schweizer Stolz

Ausländer verstehen nichts von der Schweiz und ihren Bewohnern, das muss sich Charlotte Theile öfter anhören. Die SZ-Korrespondentin hat aber einen Schweizer Pass.

Von Charlotte Theile

Wenn es einen Satz gibt, auf den sich Schweizer jeder politischen Couleur einigen können, dann vermutlich diesen: Ausländer, und ganz besonders jene aus Deutschland, werden die Schweiz niemals verstehen können. Zu komplex sei das direktdemokratische System von Konkordanz und Mitbestimmung, dann die fein austarierten Belange der unterschiedlichen Interessengruppen, dazu noch die vier Landessprachen! Nein, unmöglich. Ausländer würden nur staunend auf Volksabstimmungen und deren Umsetzung schauen und letztlich nichts, überhaupt nichts, verstehen.

Wer es doch versucht, ahnt schon, wie die Leserbriefe am nächsten Tag aussehen werden. Menschen, in deren Briefkopf das Wort "Auslandschweizer" aufgeführt ist, dazu sämtliche Titel, die man an der ETH Zürich erwerben kann, erklären, wie sehr man sich dieses Mal geirrt habe. Auch nach Jahrzehnten in Heidelberg, Ulm oder Stuttgart weiß der Auslandschweizer: "Bei uns ticken die Uhren eben anders als in Deutschland." An dieser Stelle überlege ich, der Diskussion von unüberbrückbaren kulturellen Gräben mit dem Hinweis auf meinen Schweizer Pass zu begegnen, also: dem Auslandschweizer klarzumachen, dass er es mit einer Inlandschweizerin zu tun hat.

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Das geht aber nicht. Es fehlte noch, dass der ETH-Alumne und ich einander mit unseren Familienstammbäumen zu überbieten versuchen. Was also tun? Für den interessanten Einblick in die Schweizer Gepflogenheiten danken? Bei der nächsten Volksinitiative dafür stimmen, dass das Wahlrecht von Auslandschweizern eingeschränkt wird? Am besten wirkt meistens die grundsätzliche Antwort: Man muss nicht Bürger eines Landes sein, um es zu verstehen. Vielen Dank für Ihre Zuschrift - und beste Grüße nach Ulm.

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