SZ-Werkstatt:Luhansk oder Lugansk

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Maxi Frieling über die Fragen, die sich den Mitarbeitern der Schlussredaktion regelmäßig ganz kurz vor Andruck der SZ stellen.

Von Maxi Frieling

Viele Leser empfehlen sich mit ihren Zuschriften als glänzende Mitarbeiter der Schlussredaktion. Ob sachlicher Hinweis, humorvolle Rüge oder erbitterter Wutausbruch - all diese Menschen eint die von ihrer Zeitung manchmal arg enttäuschte Liebe zu Sprache und Richtigkeit, nach dem Motto: Solche Fehler, das muss doch besser gehen! Doch unterschätzen Sie die Umstände nicht, unter denen dieses Blatt entsteht.

Im Wettlauf gegen die Zeit wird jeden Tag mit größtmöglicher Aktualität das Weltgeschehen abgebildet, kommentiert und verhandelt, in einem Umfang, der dem eines mittleren Wälzers entspricht. Wären Sie nun Mitglied der Schlussredaktion: Sind Sie sich sicher, es fiele Ihnen auch gegen 16.45 Uhr, kurz bevor die Zeitungsseiten das erste Mal "raus" müssen zum Druck, noch jedes dass auf, das versehentlich mit einem das vertauscht wurde? Würden Sie auf die Schnelle noch merken, dass die Weltbank ihren Sitz gar nicht in New York hat, sondern in Washington? Und selbst ohne Zeitdruck: Heißt es denn wirklich recht haben, obwohl in den "Harry Potter"-Büchern immer davon die Rede war, dass Hermine Recht hat? Schreiben wir tatsächlich E-Mail, wo doch sogar die Schulen stets ihre Email-Adressen angeben? Sollen wir es allen Ernstes ernst nehmen, dass der Duden die Wendung Ernst machen für richtiger hält als ernst machen? Nennen wir die ukrainische Stadt Luhansk oder Lugansk? Ziehen wir türkeistämmig dem Wort türkischstämmig vor?

Oft ist beides erlaubt, manchmal ist es eine Frage der Perspektive. In jedem Fall: Sprache ist etwas sehr Lebendiges und wandelt sich, befeuert durch Internet und soziale Medien, immer schneller. Um mitzuhalten, braucht es viel Flexibilität, Fingerspitzengefühl - und auch mal Gelassenheit.

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