SZ-Werkstatt:Kreisklassig

Sebastian Fischer hat den Amateurfußball erkundet. Seine Protagonisten waren erst mal überrascht, dass ein Reporter mit ihnen sprechen will.

Von Sebastian Fischer

Sascha Mölders hat den Mund voll, vor ihm auf dem Tisch steht ein Berg aus Nudeln, und es vergehen keine zehn Sekunden, in denen sein Handy nicht brummt. Nicht die besten Voraussetzungen für ein Gespräch. Doch es soll um den Widerspruch zwischen Amateur- und Profifußball gehen, deshalb ist es unvermeidlich, mit Mölders zu sprechen, der es vom Ascheplatz in die Bundesliga geschafft hat, in der Freizeit Hobbykicker trainiert - und beim TSV 1860 spielt. Er lässt dann höflich seine Nudeln kalt werden.

Der Profifußball ist ein bisweilen faszinierendes Geschäft. Es gibt, da nun die Saison beginnt, immer wieder Neues zu erzählen, auch wenn sich die Abläufe gleichen. Und sportliche Höchstleistungen, harmonisch verschiebende Abwehrreihen, bleiben trotz aller Skepsis über Transfersummen beeindruckend. Doch der Amateurfußball ist auf andere Weise besonders. Es geht nicht um Höchstleistungen. Wenn die Abwehrreihen verschieben, dann öfter Richtung Vereinsheim als Richtung Ball. Es geht um die ideellen Werte. Wer einmal auf dem Platz stand, hat das selbst erfahren: Zusammenhalt, Hingabe, Opferbereitschaft.

Sebastian Fischer, Süddeutsche Zeitung

Sebastian Fischer, 28, ist Redakteur im SZ-Sport, betreut "Sport am Wochenende" und schreibt den Sport-Newsletter am Sonntag, mit den besten SZ-Texten der Woche und vom Spieltag: sz.de/sport-newsletter.

(Foto: Matthias Ferdinand Döring)

In einem Text über die Amateurfußballer in Deutschland müssen ein paar Personen exemplarisch für Millionen andere stehen. Für manche ist leider kein Platz mehr. Für Gerd Hillmann etwa, über den in der Lokalzeitung steht, dass er sechs Jahre lang das einzige Mitglied des SV Rethorn in Niedersachsen war, nicht aufgab, sich Woche für Woche allein in die Kabine setzte, bis sich wieder eine Mannschaft fand, die jetzt wieder in der Kreisliga antritt. Alle, die in der Geschichte vorkommen, fragten beim Gespräch überrascht: "Und wie sind Sie ausgerechnet auf mich gekommen?" Alle, nur Sascha Mölders nicht. Aber vielleicht hatte er auch nur den Mund voll, als er es dachte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: