SZ-Werkstatt:Keine Ruhe gelassen

SZ-Werkstatt: Hans Holzhaider schreibt seit 1978 für die Süddeutsche Zeitung - zuerst als Lokalredakteur in Dachau, dann als landespolitischer Korrespondent in Bayern. Seit 1996 berichtet er über spektakuläre Strafprozesse.

Hans Holzhaider schreibt seit 1978 für die Süddeutsche Zeitung - zuerst als Lokalredakteur in Dachau, dann als landespolitischer Korrespondent in Bayern. Seit 1996 berichtet er über spektakuläre Strafprozesse.

(Foto: Catherina Hess)

Im Buch Zwei berichtet Gerichtsreporter Hans Holzhaider über den Fall Genditzki. Hier schreibt er über seine Motivation, den Fall noch einmal genau zu untersuchen.

Von Hans Holzhaider

Hans Holzhaider über seine Motivation, den Fall Genditzki noch einmal genau zu untersuchen (Buch Zwei):

In mehr als 20 Jahren als Gerichtsreporter war ich nach dem Ende der Beweisaufnahme oft dankbar, dass nicht ich derjenige war, der ein Urteil finden musste. Aber im Prozess gegen den Hausmeister Manfred Genditzki war ich nach 15 Verhandlungstagen fest davon überzeugt, dass dieser Mann freigesprochen werden muss. Das Gericht hatte eine außerordentlich gründliche Beweisaufnahme durchgeführt. Es gab so wenige Verdachtsmomente, die dafür sprachen, dass er tatsächlich, wie es in der Anklage stand, eine alte Frau in der Badewanne ertränkt hatte, und so viele Indizien dafür, dass er unschuldig war - ich konnte mir nicht vorstellen, dass er verurteilt würde.

Als der Staatsanwalt dennoch eine lebenslange Freiheitsstrafe forderte, war ich zutiefst empört, und ich hielt mit meiner Meinung nicht hinter dem Berg. Das Gericht verurteilte Genditzki trotzdem, und die Vorsitzende Richterin ließ es sich nicht nehmen, mich in öffentlicher Sitzung aufs Schärfste zu tadeln. Der Leiter der Staatsanwaltschaft wurde bei der Chefredaktion vorstellig, hatte aber mit seiner Forderung nach öffentlicher Reue und Abbitte keinen Erfolg.

Das ist jetzt fünf Jahre her. Schnee von gestern? Ich finde: Nein. Denn Manfred Genditzki sitzt weiter im Gefängnis, für eine Tat, die er mit großer Wahrscheinlichkeit nicht begangen hat. Das hat mir keine Ruhe gelassen. Als ich jetzt die Chance bekam, die vollständigen Ermittlungsakten einzusehen, wusste ich: Über diesen Fall darf kein Gras wachsen.

Die Staatsanwaltschaft wollte keine Fragen zum Fall Genditzki mehr beantworten. "Mit rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren beschäftigen wir uns nicht", beschied mich ihr Sprecher Ken Heidenreich, mit arktischer Kälte in der Stimme.

Wir beschäftigen uns schon damit.

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