SZ-Werkstatt:"Hoffentlich kommt jetzt kein Tsunami"

SZ-Werkstatt: Jan Hendrik Hinzel, Kim Wall und Coleen Jose auf dem Runit Dome.

Jan Hendrik Hinzel, Kim Wall und Coleen Jose auf dem Runit Dome.

(Foto: Hinzel)

Auf den Marshallinseln zu Klimawandel und Atomverseuchung zu recherchieren ist ein Abenteuer. SZ-Autor Jan Hendrik Hinzel über gefährliche Essenseinladungen, Drohnenflüge und das Ausmaß der Zerstörung.

Von Jan Hendrik Hinzel

Auf den Marshallinseln zu den Themen Klimawandel und Atomverseuchung zu recherchieren ist ein Abenteuer, wie Jan Hendrik Hinzel, einer der Autoren des Buch Zwei, beschreibt:

"Die ersten Tage fühlt man sich auf den Inseln leicht klaustrophobisch. Alles ist so flach und man sieht auf beiden Seiten das Meer. Ich habe permanent nach möglichen Fluchtpunkten gesucht. Aber es gibt einfach keine Hügel. Man denkt sich ständig: Hoffentlich kommt jetzt kein Tsunami. Das höchste Gebäude hat vier Stockwerke. Die lokale Landfauna ist wenig beeindruckend. Die meisten Vögel wurden weggefangen und gegessen. Die einzigen Säugetiere sind Katzen, Hunde und Schweine. Der Rest: Insekten. Vor allem Kakerlaken. Und davon sehr viele und überall - im Schlafsack, im Rucksack, an der Zahnbürste.

Man liest vorher eine Liste mit Speisen, die als verstrahlt gelten

Traurig gemacht hat uns der Moment, als wir auf dem Pazifik-Atoll Eniwetok das Ausmaß der Zerstörung begriffen. Man sieht die Strahlung nicht, man riecht sie nicht, man fühlt sie nicht. Was bleibt, ist ein komisches Gefühl: Sollte ich diese Krabbe wirklich essen? Sollte ich wirklich aus dieser Kokosnuss trinken? Man liest vorher eine Liste mit Speisen, die als möglicherweise verstrahlt gelten. Dann ist man in Eniwetok auf einer Geburtstagsfeier eingeladen und bekommt einen schön geflochtenen Korb gefüllt mit jeglichen Speisen auf der Liste. Alle schauen einen an. Also fängt man an zu essen.

Für die Recherche war es sehr hilfreich, eine Drohne dabeizuhaben. Dank ihr konnten wir die Ausmaße und die Dimension des "Runit Dome", einer Atommüllkippe auf Runit Island im Eniwetok-Atoll, zeigen. Die Luftaufnahmen machen außerdem deutlich, wie klein und schutzlos die vielen Inseln sind.

Trotz der Aussichtslosigkeit versuchen einige Aktivisten, auf den Inseln selbst Veränderungen zu schaffen. Ihr Kampfgeist hat uns sehr imponiert. Außerdem hat uns die Weite des Pazifik beeindruckt. Wenn man neun Tage auf einem alten Fischkutter Hunderte Kilometer entfernt von jeder noch so kleinen Insel durch das größte Haischutzgebiet der Welt tuckert und dann für eine Stunde die Maschine ausfällt und man hilflos in den Wellen treibt, denkt man sich nur: Tschüss, das war's jetzt."

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