SZ-Werkstatt:Im Vatikan

Der für Religionsfragen zuständige SZ-Redakteur Matthias Drobinski berichtet über seinen Besuch bei den Kirchenoberen in Rom.

Man kann die Geschichte von Judas, dem Verräter, auch mal andersherum sehen: Ohne ihn hätte Jesus die Welt nicht erlösen können; der Verrat ist einer der Motoren der Geschichte. Im Vatikan allerdings gilt für Verräter, was über Judas in der Bibel steht: "Für ihn wäre es besser, wenn er nie geboren wäre." Den Journalisten Gianluigi Nuzzi und Emiliano Fittipaldi wird gerade ein skurriler Prozess gemacht, weil sie Dokumente aus dem Vatikan veröffentlicht haben, die Missmanagement und Korruption enthüllen - auch auf den Wunsch von Papst Franziskus hin, der zwar Korruption nicht mag, aber anscheinend auch nicht, wenn Journalisten ihren Job machen.

SZ-Werkstatt: Matthias Drobinski, 52, ist seit 1997 innenpolitischer Redakteur und in der Süddeutschen Zeitung zuständig für Kirchen und Religionsgemeinschaften.

Matthias Drobinski, 52, ist seit 1997 innenpolitischer Redakteur und in der Süddeutschen Zeitung zuständig für Kirchen und Religionsgemeinschaften.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Das hat Folgen für alle Journalisten, die im Vatikan und über den Vatikan berichten. Man kann sich in Rom mit klugen Menschen verabreden, man kann mit ihnen offen diskutieren. Man kann dort Menschen treffen, die ihre katholische Kirche lieben und ihre Arbeit - und doch viele Dinge kritisch sehen. Aber am Ende dieser Treffen sagen fast alle: Bitte keine Namen nennen. In der Politik wird man manchmal überrannt von Leuten, die dringend Zitate, Programme und Gesetzentwürfe in die Zeitung bringen wollen. In der katholischen Kirche gewinnen die Gesprächspartner immer noch umso weniger mit Offenheit, je näher sie an den Papst rücken. Umso bemerkenswerter ist, was dem Kollegen Oliver Meiler für unser gemeinsames Buch Zwei über den rätselhaften Papst Franziskus gelungen ist: Er hat Urs Breitenmoser getroffen, den Bodyguard des Papstes, und der hat offen über seinen schwierigen Job geredet, ohne zu sagen: Aber bitte keine Zitate. Und er war, nach drei Wochen freundlicher Hartnäckigkeit, sogar in der Casa Santa Marta, wo der Papst seit drei Jahren wohnt.

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