SZ-Werkstatt:Ein echter Notstand

Die Autorin

Michaela Schwinn, 29, studierte Geschichte, Englisch und Sozialkunde und besuchte die Deutsche Journalistenschule. Seit Anfang des Jahres ist sie in der Redaktion Innenpolitik für Gesundheitsthemen zuständig.

Michaela Schwinn, Redakteurin in der Innenpolitik, über die Notwendigkeit, dass sich beim Thema Pflege bald etwas Substanzielles ändert.

Von Michaela Schwinn

Einen Mann hat Norbert Kaeppler ganz besonders ins Herz geschlossen: den 92-Jährigen im Zimmer rechts hinten am Gang. Er ist der älteste Bewohner im Altenheim und wenn er gebadet wird, dann planscht und lacht er, als wäre er wieder jung. Vor einer Wochen traf ich Norbert Kaeppler, er ist Pflegehelfer in einer Münchener Einrichtung. Wie er von den Bewohnern sprach, wie er mit ihnen sprach, so bewundernd und einfühlsam, bewegte mich.

Viel wurde in den vergangenen Wochen und Monaten über den Pflegenotstand berichtet. "Deutschland gehen die Pfleger aus", "2030 werden 500 000 Vollzeitkräfte fehlen", titelten Zeitungen. 8000 neue Stellen sollen in der Pflege geschaffen werden, fordert die geplante große Koalition. Es wurden Statistiken erstellt, es wurde geschätzt und gerechnet. Und dabei meist vergessen, warum es eigentlich geht: um Menschen. Um Pfleger, Bewohner, Patienten und Angehörige, die diesen Notstand tagtäglich erleben. Dass viele Betroffene der Debatte sich übergangen fühlen, dass sie das Gefühl haben, dass eher über sie als mit ihnen gesprochen wird, zeigt die große Zahl an Leserbriefen, die unsere Redaktion in den vergangenen Tagen erreichte. Die Schreiber baten, mit dem Thema Pflegeberufe sensibler umzugehen, sie baten um mehr Anerkennung. Sie baten um Gespräche.

Diese Gespräche will ich in den kommenden Wochen und Monaten führen. Mit deutschen Pflegern, die nach Schweden auswandern, weil sie am deutschen Pflegesystem verzweifeln, mit alten Hausärzten, die ihre Praxen schließen müssen, weil sie keine Nachfolger finden und mit Migranten, die sich in deutschen Altenheimen nicht zurechtfinden. Es ist eine spannende Zeit, um über Gesundheitspolitik zu berichten.

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